Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

200 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 25). 
heit genügen werde. Sollte wider Erwarten eine Aenderung desselben sich 
nach Maßgabe künftiger Erfahrungen nothwendig erweisen, so werde ich 
meinerseits nur zu solchen Einrichtungen mitwirken, welche den Verkehrs= 
bedürfnissen des Freihafengebiets mit der See — und zwar nicht minder 
eines im verkleinertem Umfange dauernd beizubehaltenden, wie des jetzigen 
Freihafengebiets — in mindestens gleichem Maße, wie die Zoll=Flaggen= 
Einrichtung Genüge leisten. Auch werde ich in solchem Falle nicht unter= 
lassen, dem Senat durch vorgängige Benachrichtigung Gelegenheit zu geben, 
seine dießfälligen Ansichten und Vorschläge rechtzeitig zur Vertretung zu 
bringen. Ich werde, den Intentionen des Kaisers und der verbündeten 
Regierungen entsprechend, angelegentlich bestrebt sein, den Interessen und 
Wünschen Hamburgs nicht minder, als denen jedes anderen Bundesgliedes 
entgegenzukommen und denselben förderlich zu sein, soweit ich es irgend mit 
meinen Pflichten gegen das Reich vereinigen kann. Die Reichsregierung 
wird dieß insbesondere auch bei der weiteren Ordnung der mit der Frei= 
hafen=Berechtigung Hamburgs zusammenhängenden Zolleinrichtungen gern 
bethätigen, und hierin um so weiter gehen können, wenn die dabei zu er= 
ledigenden technischen Fragen nicht zu Anknüpfungspuncten für politische 
Bestrebungen beruht werden, welche den verbündeten Regierungen die Pflicht 
zur Wahrung ihrer verfassungsmäßigen Rechte auferlegen.“ 
  
Die Befriedigung über die Uebereinkunft zwischen dem Reich und 
Hamburg ist eine allgemeine, da man die allseitige Genehmigung, auch von 
Seite der Hamburger Bürgerschaft und von Seite des Reichstages nicht be= 
zweifelt. Die erstere schien indeß eben noch ziemlich zweifelhaft und die 
Hamburger Bürgerschaft präsentirt sich nicht gerade im Licht politischer 
Consequenz, wenn es jetzt auf einmal heißt: die Stimmung sei umgeschlagen 
und es stehe nun die Zustimmung zu der Uebereinkunft vom 25. Mai in 
Aussicht. Zur Aufklärung wird mitgetheilt, daß anfangs die Aufgeregten 
die Oberhand hatten, während die Ruhigeren sich zurückhielten, und daß 
jetzt, nachdem der Inhalt der Uebereinkunft bekannt wird, diese hervortreten. 
Im Uebrigen geht das Urtheil der öffentlichen Meinung etwa dahin: „Der 
Senat macht sich die Befürwortung der Uebereinkunft leicht geung; er bleibt 
zwar selbst dabei, daß die Aufrechterhaltung der Freihafenstellung in ihrer 
jetzigen Verfassung nicht nur Hamburg, sondern auch dem Reiche nützlich 
sei; diese Auffassung aber sagt er, werde im Reiche nicht getheilt, und deß= 
halb  habe der Senat der Beschränkung der Freihafenstellung zugestimmt. 
Was der Senat verschweigt, ist der Umstand, daß man „im Reiche“ von 
der Ausdehnung der politischen Einheit auf die Einheit des Wirthschafts= 
gebiets nicht die Einschränkung. sondern die Beseitigung des Frei= 
hafengebiets erwartete. Ob diese Erwartung gerechtfertigt war und 
auf einer richtigen Schätzung des Werthes der „Freihäfen“ beruhte, ist eine 
andere Frage; thatsächlich war sie vorhanden. Es ist begreiflich, daß der 
Senat unter diesen Umständen es vorzog, sich, wenn auch unter schweren 
finanziellen Opfern, mit dem Reichskanzler über die anderweitige Regelung 
der Freihafenverhältnisse zu verständigen, anstatt durch Ablehnung der Vor= 
schläge alles aufs Spiel zu setzen. Dieses Verfahren ist taktisch um so mehr 
gerechtfertigt, als die Vereinbarung ebenso wie das Schreiben des Reichs= 
kanzlers an Ministerresident Krüger feststellt, daß die jetzige Freihafenstellung 
eine dauernde sein solle. Für diese leistet der Reichskanzler die verfassungs= 
mäßige Gewähr, welche er der früheren verweigerte. Um so gespannter darf 
man auf die Art und Weise sein, in welcher der Reichskanzler dem Reichs= 
tage gegenüber die Forderung von 40 Millionen Mark motiviren wird.“ 
 
	        
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