Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Aug. 31.) 233
ausgestellte königliche Anerkennungsurkunde erhält, worauf er vom
Kaiser officiell empfangen wird. Der staatliche Eid wird ihm er-
lassen und das Sperrgesetz für Trier außer Wirksamkeit gesetzt.
Gleichzeitig mit diesen Vorgängen in Deutschland trifft der gegen-
wärtige deutsche Gesandte in Washington v. Schlözer, der schon im Juli
in Rom war, wieder dort ein, um, wie anerkannt wird, zwar nicht offiziell,
aber doch offiziös mit der Curie über die Beseitigung des Culturkampfes
und die Anbahnung eines modlus vivendi zu unterhandeln. Ferner erschein
in Berlin von dem Leiter des offiziösen Preßwesens, Geh. Oberregierungs-
rath L. Hahn, eine „Geschichte, des Culturkampfes in Preußen,“ die großes
Aufsehen erregt. weil sie sich als ein positiver Annäherungeversuch der Re-
gierung an das Centrum darstellt. Die Absicht, welche den Autor bei dieser
auszugsweisen Zusammenstellung der auf den kirchenpolitischen Kampf be-
züglichen Schriftstücke, Reden ec. geleitet, ergibt sich aus folgender Stelle der
Vorrede: „Der Verfasser glaubt, daß der thatsächliche Verlauf des Conflicts
den Beweis liefere, wie man von beiden Seiten von vornherein den Kampf
nicht gewollt, daß man durch die Macht und Gewalt der sich entgegen-
stehenden Grundsätze, durch die beiderseitige erklärliche und entschuldbare
Schärfe und die steigende Bitterkeit in der Geltendmachung derselben weiter-
getrieben worden ist, als man zu gehen gedachte, daß aber der Augenblick
gekommen ist, wo man sich beiderseits auf den zurückgelegten Weg. und zu-
gleich auf den Ausgangspunct besinnt.“ Inzwischen ist nicht zu verkennen,
daß die öffentliche Meinung in weiten Kreisen die Schritte der preußischen
Regierung mit großem Mißtrauen verfolgt, in denen man bis jeht nur Con-
cessionen des Staates erkennt, ohne irgendwelche Gegenconcessionen Seitens
der Curie. Uebrigens ist es kein schlechtes Zeichen für die noch nicht näher
bekannte Art des Abschlusses des Culturkampfes, daß der staatlich abge-
setzte Bischof von Münster, Brinckmann, mit den im Zug befindlichen
Unterhanblungen höchlich unzufrieden ist und dießfalls unter dem 28. Aug.
aus seinem Exil einen Streitbrief an seine Diöcesanen richtet. Freilich weiß
er vielleicht, daß Herr v. Schlözer den Auftrag haben soll, in Rom auch
auf seiner Beseitigung wie auf derjenigen des Erzbischofs Melchers von
Köln und Ledochowski von Posen zu bestehen.
31. August. (Deutsches Reich.) Der Kaiser ordnet die
allgemeinen Neuwahlen zum Reichstag auf den 27. October an.
31. August. (Preußen.) Die großen Herbstmanöver in
Preußen beginnen mit der glanzvollen Parade des Gardecorps vor
dem Kaiser und König.
Die Welfen Hannovers sind mit ihrem Wahlprogramm von
allen Parteien zuerst am Platze. An der Spitze steht folgender Satz:
„Wir Mitglieder der deutsch-hannover'schen Partei stehen, was die
Einverleibung des Königreichs Hannover in das Königreich Preußen, die
Entthronung des angestammten Fürstenhauses und die Beseitigung der selb-
ständigen Verfassung des hannover'schen Landes betrifft, unverändert auf
dem Boden der Ueberzeugung, von welcher unsere Partei bisher getragen
und geleitet ist, und wir halten fest an dem Wunsche und an der Hoffnung
einer Wiederherstellung des Königreichs Hannover, tief davon durchdrungen,
daß auch dem gesammten Deutschland ein felbständiges Königreich Hannover
viel besser dienen würde, als ihm eine annectirte Provinz Hannover je
dienen kann.“