Dos deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Sept. 15—18.) 249
deren überragen, nicht zum Gegenstande unübersehbarer, finanziell
manafühe arer Erverimente gemacht, sondern mit ruhigster
Prüfung in stetem Hinblick auf das Erreichbare und Mögliche
in Angriff genommen und ihrer Lösung zugeführt werden, ohne Ueber-
lastung des Staates mit Aufgaben, welche nur unter ernstlicher Gefährdung
des Gemeinwesens der Thätigkeit und Selbstverantwortlichkeit des Einzelnen
entzogen werden könnten. — Bei Wahrung ihrer vollen Selbständigkeit und
uunnbhüngigeet. wird die nalionalliberale Partei gegenüber der drohenden
Gefahr eines immer engeren Bündnisses der kirchlichen und po-
litischen Reaction mit anderen liberalen Richtungen fest zu-
sammenstehen in der entschlossenen Abwehr clerical-conservativer Angriffe
auf unsere Verfassung und Gesetzgebung. Von diesen Gesichtspunkten geleitet,
fordern wir alle Parteigenossen auf, der Vorbereilung für die Reichstags-
wahlen nunmehr ungesäumt ihre ganze Kraft und Thätigkeil zuzuwenden,
in allen Wahlkreisen sich schlennigst und kräftig zu orgauisiren und voll-
zählig bei der Wahl zu erscheinen. Der Ernst der polilischen Lage duldet
kein Zandern und keine Lässigkeit. Er legt jedem Gesinnungsgenossen die
Plicht auf, bei den Wahlen in vollem Maße und mit aller Hingebung seine
Schuldigkeit zu thun. Es gilt zu zeigen, daß unser Volk seine Einheit und
Freiheit nicht allein in einem raschen Anlauf zu erringen, sondern auch in
Nolh und Gefahr zu behaupten vermag. Berlin, 15. September 1881.
15. September. (Bayern.) Innerhalb der clericalen Mehr-
heit des Landtags ist in der Presse zwischen den „Extremen“ und
den „Pakrioten“ bereits der heftigste Kampf ausgebrochen.
18. September. (Deutsches Reich.) Wohlprogramm der
Agrarier:
„Die Landwirthschaft, der Grund und Boden, die Werkstakt und die
Wohnung sind zu entlasten, damit die vaterländische Gewerbsthätigkeit mit
dem von der Natur mehr begünstigten Auslande den Concurrenzkampf auf-
zunehmen vermag. Die Hypotheken= und Subhastationsordnung bedarf dringend
der Revision; die Hypotheken müssen abgelöst werden, wie die Reallasten, das
römische Erb= und Besihrecht auf Immobilien hat germanischen Rechtsinstitu-
tionen Platz zu machen. Die Stempelstener soll für mobilen wie für unmobilen
Besiß gleich hoch sein; die Versteuerung der Schulden durch die Grund= und
Gebäudesteuer muß beseitigt werden. Die doppelte und dreifache Besteuerung
der Landwirkhschaft ist zu beseitigen und durch eine einfache Besteuerung zu
erseten. Nicht Productionssteuern, welche den Unternehmungsgeist lühmen.
sondern Consumtionssteuern, welche jeder nach Bedarf entrichtet. Flachs= und
Wollzölle sind einzuführen, die Korn#ölle zu erhöhen, ebenso die Zölle auf Vieh
und thierische Producte. Der wachsenden Ausbreitung der Machtbefugnisse der
Aerzte, Advocaten rc. auf öffentliche Kosten muß ein Riegel vorgeschoben wer-
den, ebenso dem Vordrängen der Inden in der Gesehgebung, der Rechtspflege,
dem Unterrichtswesen, der Gemeinde= und Staatsverwaltung. Das deutsche Bolk
ist kein katholisches, sein evangelisches, kein jüdisches, sondern ein christlich-
germanisches Volk; die evangelische Geistlichkeit ist an ihre Pflichten zu er-
innern, die sie dem Hosprediger Stöcker gleich gegen das christlich-germanische
Gemeinwesen zu erfüllen hat. Die Reichsbankverwaltung ist derartig zu re-
organisiren, daß der wucherische Zwischenhandel mit den Banknoten aufhört.
und die Geldnehmer bis in die kleinsten Kreise ihren Bankeredit direct er-
halten können. Es ist eine zweite Reichsbank für Landwirthschaft und eine
dritte Reichsbank für Gewerbe und Industrie zu etabliren; es ist eine ein-