Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

Das denlsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Sept. 22—27.) 251 
durch das vorjährige kirchenpolitische Juligesetz erkheilten Vollmacht, 
neue Aufnahmen in die der Krankenpflege gewidmeten katholischen 
Orden, namentlich denjenigen der barmherzigen Schwestern, zu ge- 
statten. 
22. Sepkember. (Deutsches Reich.) Der „Staatssozialist", 
Wochenschrift der „Christlich-Sozialen“ und „Sozialreformer“ (Parleie 
Stöcker) empfiehlt bereits die „Verstaatlichung des Getreidehandels“. 
Die Begründung ist sehr einfach: „Daß ein so wichtiges Nahrungs- 
mittel, wie das Brod, nicht zum Gegenstande der Ausbentung des Volkes 
gemacht werde, ist dringend wünschenswerth, und ebenso wird zuzugestehen 
sein, daß der staatliche Gekreidehandel auf keine practische Unmöglichkeit zu 
stoßen braucht. Ist aber der staatliche Getreidehandel möglich, und gewährt 
er der großen Masse der Bevölkerung Erleichterung in ihrer Sorge um das 
lägliche Brod, kann er dazu beitragen, ungerechten Ansbentungen durch hab- 
süchtige Specalanten ein Ziel zu schen. dann ist es, unseres Erachtens, auch 
Pflicht des Staates, ihn in die Hand zu nehmen.“ Dieselben Gründe, welche 
hier vorgebracht find können natürlich auch zur Empfehlung der Verslaat= 
lichung noch anderer Gewerbszweige angewendet werden. 
26. September. (Deutsches Reich.) Die Delegirtenversamm- 
lung des „Centralverbandes deutscher Industrieller“ (Schutzzöllner) 
in Dresden erklärt sich gegen die vom Reichskanzler geplante Ar- 
beiter-Invaliden= und Altersversicherungs-Anstalt: 
Die Unfallversicherung wollen sich diese Industriellen noch gefallen 
lassen, aber die Alterversicherungs-Anstalt halten sie mit Rücksicht auf die 
Arbeiter= und Productionsverhältnisse einfach für unmöglich, da eine Be- 
schränkung dieser Versicherung auf gewisse Categorien von Arbeitern un- 
möglich, in jedem Falle aber ungehenre Summen nöthig wären, um das 
Project durchzuführen, und ein allgemeiner Versicherungszwang eine un- 
gerechtfertigte Steigerung der Löhne und Productionskosten mit sich bringen 
und dadurch der deutschen Industrie ganz unerschwingliche Kosten aufbürden 
würde, welche sie unter Berücksichtigung der internationalen Concurreng nie- 
mals zu tragen vermöchte. 
27. September. (Württemberg.) Der Kaiser besucht von 
Baden--Baden aus die württembergische Gewerbeausstellung in Stutt- 
gart und mit dem König von Württemberg das landwirthschaftliche 
sog. Volksfest in Cannstatt. 
27. September. (Baden.) Wahl der Wahlmänner für die 
Landtagswahlen. Die Theilnahme der Wahlberechtigten ist eine fehr 
flaue, indem sie im Durchschnitt nur 15 Procent beträgt. Das Re- 
sultat ergibt, daß die im Laudtag bisher überwiegenden National= 
liberalen wahrscheinlich 3—4 Sitze an die Ultramontauen und ebenso 
viele an die Democraten verlieren werden. — Unterhandlungen mit 
der Curie über eine definitive Besetzung des erzbischöflichen Stuhls 
von Freiburg. 
Unmittelbar nach Uebernahme des Weihbischofsamtes Seitens des als
	        
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