252 Pas deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Sept. 28.)
friedlich gesiunt bekannten Domcapitulars Orbin ersuchte die badische Staats-
regierung das Freiburger Domcapitel um ungesäumte Einreichung einer
Vorschlagsliste für die Bischofswahl, worauf vom Domcapitel die Bereit-
willigkeit hiezu ausgedrückt, daran aber die Bedingung auf den staatlichen
Verzicht des bischöflichen Gehorsamsreverses geknüpft wurde. Als dann die
Regierung erwiederte, daß ihrerseits dem Verzicht ein Hinderniß nicht ent-
gegenstehe, derselbe aber nur unter Mitwirkung der Kammern erfolgen könne,
da diese u. A. auch über die Aufhebung des Gesetzes bbetreff der Sperrung
des erzbischöflichen Tischtitels zu entscheiden habe, gab das Domcapitel der
Regierung selbst den Rath, direct mit Rom in Verhandlung zu treten, „wo
die von allen gläubigen Katholiken ersehnte Erledigung der Angelegenheit
vielleicht in derselben Weise ersolgen könne, wie in Preußen“. Die Negie-
rung befolgte den ertheilten Rath. Obgleich man aber in Rom dem gestellten
Ansinnen offenbar nicht abweisend gegenübersteht, scheint man doch mit einer
endgültigen Entscheidung zuwarten zu wollen, bis die Regierung mnttx der
Kammer über die Verzichtleistung sich anzeinendergeseht. hat. Da der be-
trefsende Nevers nicht kraft eines Gesetzes, sondern nur durch Verordnung
besteht, wäre die Regierung an und für sich abesugt. benselben außer Kraft
zu sehben, ohne Mitwirkung der Kammer. Das will die Regierung aber
doch nicht; die Erledigung der Frage zieht sich deßhalb in die Länge.
28 — 30. September. (Bayern.) Eröffnung des Landtags
durch den Prinzen Luitpold im Namen des Königs. Die Wahl des
Präsidiums erfolgt ganz im Sinne der ultramontanen Mehrheit.
Die Regierung legt das Budget und den Militäretat vor. Die
Finanzdarlegung des Finanzministers, stellt eine 20procentige Er-
höhung der directen Steuern in Aussicht. Der Militäretat begehrt
als außerordentliche Militärcredite die Summe von 800,000 “ für
Vollendung bereits begonnener Bauten und 2,177,000 MA für den
in Folge der Heeresvermehrung nothwendigen Bau von 6 neuen
Casernen. Die ultramontane Mehrheit kann sich unter sich nicht
verständigen und zerfällt in zwei gesonderte Clubs, denjenigen der
„Extremen Rechten" und den der „(gemäßigten) Rechten“, denen sich
3 orthodoxe Protestanten unter der Führung des Abg. Reg.-Rath
Luthardt als „conservative Fraction“ auschließen.
Die Finanzdarlegung des Ministers v. Riedel schließt fol-
gendermaßen: „Die Abogleichung ergibt, daß 4,950,200 —4áx durch Steuer-
zuschläge zu decken sind, und daß demnach eine Sienererhöhung von ungefähr
20 Procent ins Auge zu fassen ist. (Große Bewegung.) Ich begreife die
Bewegung, welche in diesem hohen Haus und in dem Lande durch diese
Eröffnung hervorgerufen wird. Ich selbst bin doppelt schmerzlich berührt, und
zwar nicht bloß deshalb, weil ich nach fast 4jährigen rastlosen Bemühungen
abermals als Organ einer solchen Forderung dienen muß, sondern auch deß-
halb, weil diese Finanzlage des Staates die Erfüllung mancher berechtigten
und dringenden Wünsche hindert. Es wäre vielleicht nicht allzu schwierig
gewesen, durch eine etwas orkirnsfiisch' Auffassung der Sache eine bessere
Färbung zu geben; allein wozu der Optimismus in diesen Diien führt,
sehen wir aus dem Etat der Staatsschuld. Durch ungeschminkte Darlegung
der Verhältnisse und rückhaltslose Wahrheit werden dem Lande die besten