Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

Das denischt Reich und seine einjelnen Glieder. (Oct. 9.) 261 
diesen Beweis auch noch genauer mit allen Details zu führen."“ Darauf 
wird nun der „Dresd. Ztg.“ über die „Combination Bennigsen“ aus schein- 
bar guter Quelle das nachstehende Genauere. mitgetheilt: „Schon im Sommer 
1877 hatte Fürst Bismarck Herrn v. Bennigsen zum Eintritt in das 
preußische Staatsministerium aufgefordert; es ist dieß weniger allgemein be- 
kannt geworden, als die zweite, ähnliche Einladung, welche, nachdem die 
erste zu keinem Ergebniß geführt hatte, im December 1877 erfolgte. Damalz, 
im Sommer, war gar keine „Varanz im Ministerium; wir erwähnen dieß, 
weil die „Nordd. Allg. Ztg.“ dieser Tage behauptete, über die Neubesetzung 
der Ministerämter habe der Kanzler im December 1877 unmöglich ver- 
handeln können; so schüchtern itt. er in der That nicht. Er war es auch 
in Varzin nicht. Wenn dort wirklich, wie das officiöse Blatt behauptet, 
von der Uebernahme des kurg vorher durch das Entlassungsgesuch des Grafen 
Euleuburg I. frei gewordenen Ministeriums des Innern durch Bennigsen 
die Rede war, so sicherlich nur beiläufig und vorübergehend. Die ernstlich 
erörterte Combination war eine andere. Das später eingebrachte Stellver- 
tretungsgesetz wurde bereits in Varzin besprochen; auf Grund desselben 
sollte Bennigsen Vicekanzler werden, er sollte ferner das preußische Finanz= 
ministerium, mit dessen damaligem Inhaber Camphausen der Kanzler, wie 
der seitdem veröffentlichte Briefwechsel mit dem verstorbenen Staatssecretär 
v. Bülow beweist, bereits auf sehr gespanntem Fuße stand, und er sollte in 
Verbine#ng damit auch die Reichsfinanzen leiten. Wer sich der damaligen 
Erörterungen in der Presse erinnert, weih, daß überall von der herzustellenden 
„Personalunion“ zwischen denjenigen breußischen Ministerien, welche directen 
Einfluß auf den Gang der Neichspolitik haben, und den entsprechenden 
Ressorts der Reichsregierung die Rede war. Herr v. Bennigsen, der, wenn 
er gewollt hätte, mit der vollen Sicherheit hätte von Varzin nach Hannover 
zurückkehren können, binnen kürzester Frist Vicekanzler, preußischer und 
Reichsfinanzminister zu werden, stellte aber drei Bedingungen, nämlich: gleich- 
zeitigen Eintritt Forckenbecks und Stauffenbergs in die Regierung; Her- 
stellung der „constitutionellen Garantien“ in Preußen dafür, daß etwaige 
Ueberschüsse aus der Finanzreform zu Steuerherabsetzungen verwandt würden, 
und Verzicht des Fürsten Bismarck auf das Tabakmonopol, das er, ohne 
gerade die Verpflichtung Bennigsens auf dasselbe zu fordern, doch in Varzin 
bereits als fein Ideal gekennzeichnet hatte. Es ist richtig, daß Forckenbeck 
von dem Fürsten Bismarck als Minister des Innern, wen Bennigsen ihn 
vorschlug, nicht acceptirt wurde; weniger sicher ist, daß der Kanzler die 
Berufung des damaligen Reichstagspräsidenten zum Justizminister — Herr 
Leonhardt war bereits schwer leidend und zum Rücktritt geneigt — unbe- 
dingt abgelehnt hätte, doch scheint Forckenbeck für die Uebernahme dieses 
Ressorts keine Neigung gehabt zu haben. Dahb der Kanzler gegen den Ein- 
tritt Stauffenbergs anfangs nichts einzuwenden hatte, ist auch offiziös zu- 
gestanden worden; er sollte eines der seitdem neu geschaffenen Reichsämter 
übernehmen; welches, barüber war man zu keinem Beschlusse gekommen. 
Die offiziöse Darstellung geht nun dahin, nachdem Bennigsen in Varzin 
nicht für sich persönlich zugegriffen, sondern Bedingungen gestellt habe, sei 
nach der Wiedereröffnung des Landtags, als Bennigsen sich in Berlin, Bis- 
marck aber noch = bis zur Eröffnung des Reichstags, Mitte Februar — 
in Varzin befand, „weder mündlich noch schriftlich“ weiter verhandelt worden. 
Das ist offenbar ein bloßes Spiel mit Worten: es gibt noch eine dritte Art, 
solche bosfenbetP zu führen, nämlich durch Mittelspersonen, und burch 
solche aus der Umgebung des Kanzlers ist in der That weiter verhandelt 
worden. Der Umstand, daß Bennigsen sich bemühte, mit seiner Partei ein 
*m politisches Regierungsprogramm zu vereinbaren, für das er als- 
  
  
  
 
	        
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