264 Dos deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oct. 11—20.)
11. October. (Preußen.) Der Minister des Innern v. Putt-
kamer wird zum Vicepräsidenten des Staatsministeriums ernannt.
15. October. (Preußen.) Auch der von der Curie und von
der Staatsregierung für das Bisthum Fulda ins Auge gefaßte Dom-
capitular Kopp in Hildesheim hat vorerst abgelehnt und will sich
nur einem ausdrücklichen Befehle des Papstes fügen.
18. October. (Deutsches Reich.) Geburtstag des Kron-
prinzen und Jahrestag der Schlacht von Leipzig. Die Conserva-
tiven und Antifortschrittler in Berlin suchen die Gelegenheit zu be-
nützen, um ihrer Wahlagitation noch einen letzten Schwung zu geben,
indem sie 58 der größten Locale Berlins miethen, in denen 60,000
Personen mit einem Aufwand von 200,000 gratis bewirthet und
mit Musik 2c. unterhalten werden.
19. Ockober. (Württemberg.) Hölder, der Präsident der
II. Kammer, wird an Stelle des verstorbenen Sick zum Minister
des Innern ernannt. Derfelbe ist bisher der Führer der sogen.
deutschen Partei gewesen und befand sich als solcher lange Zeit in
entschiedener Opposition gegen die Regierung. Nachgerade hat sich
jedoch der Gegensatz wesentlich ausgeglichen.
20. October. (Deutsches Reich.) Obogleich der Urlaub des
Grafen Hatzeld abgelaufen ist, so fährt derfelbe doch fort, die Aus-
wärtigen Angelegenheiten des Reiches zu leiten.
20. October. (Deutsches Reich.) Wiederzusammentritt des
Bundesraths behufs der Vorarbeiten für die nächste Session des
neuen Reichstags, namentlich des demselben. vorzulegenden Budgets.
20. October. (Deutsches Reich.) Die Agitation für die
am 27. I. M. bevorstehenden Neichstagswahlen hat nachgerade ihren
Höhepunct erreicht. An Lieidenschaftlichkeit und Rücksichtslosigkeit
gegen die Gegner haben so ziemlich alle Parteien das Aeußerste ge-
leistet und es läßt sich nicht läugnen, daß die gouvernementale Presse,
oder die sich wenigstens felbst dafür ausgibt, hierin hinker den an-
deren Parteien in keiner Weise zurückgeblieben ist. Es war und ist ein
Wahlkampf, wie er in Deutschland jedenfalls noch nicht dagewesen.
Der Ausgang ist zweiselhaft. Indeß wird von denjenigen, welche die
Entwickelung der Dinge seit 1878 unbefangen beobachtet haben, eine weilere
Schwächung der Mittelparteien, der nationalliberalen sowohl als der frei-
conservativen, auit ziemlicher Sicherheit vorausgesehen, wobei es nur zweifel-
haft bleibt, ob dieß zu Gunsten der Rechten oder der Linken des Reichstags
geschehen werde. Allein selbst wenn diese Eventualität nicht eintreten sollte,
wenn die Frachionen ziemlich unverändert an Zahl aus dem Wahlkampf
d
hervorgehen — die Sitnation der Parteien im nächsten Reichstag wird sich
ennoch verändern, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil die deutsche