Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

Das deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oct. 24— 27.) 267 
Simultanschule, den zweiten auf Wiederabschaffung der obligatori- 
schen Civilehe und den dritten auf strengere Maßregeln gegen das 
Concubinat. 
24. October. (Deutsches Reich.) In Berlin spannt die 
antifortschrittliche und antisemitische Wahlagitation Alles an, um bei 
den Reichstagswahlen wenigstens in einem oder zwei Wahlkreisen der 
Stadt den Sieg zu erringen: fast alle größeren Locale und die Mehr- 
zahl der öffentlichen Anschlagsäulen werden für die drei letzten Tage 
vor den Wahlen von ihr gemiethet und in Beschlag genommen. 
24. October. (Deutsches Reich.) Im Einverständniß mit 
dem Bundesrath verlängert die preußische Regierung den über Altona 
und Umgegend verhängten kleinen Belagerungszustand um 1 Jahr. 
26. October. (Preußen.) Das Domcapitel Breslau wählt 
den Weihbischof Gleich zum Capitularvicar. Die Regierung ist mit 
der Wahl einverstanden. 
27. October. (Deutsches Reich.) Allgemeine Neuwahl des 
Reichstags. Obgleich fast 100, also der vierte Theil aller Wahlen, 
nicht definitiv zu Stande gekommen sind, sondern Stichwahlen erfor- 
dern, so ist das Resultat doch ein unzweidentiges: die innere Politik 
des Reichskanzlers hat eine entschiedene Niederlage erlitten. Der 
confervative Hauch ist verschwunden und die Strömung der Nation 
geht augenblicklich unzweifelhaft nicht nach rechts, sondern nach links: 
die beiden Mittelparteien der Nationalliberalen und der Freiconser- 
vativen haben starke Einbußen erlitten, die letztere noch mehr als 
die erstere, und sind nicht mehr im Stande ein entscheidendes Ge- 
wicht in die Wagschaale zu werfen; die Deutschconservativen haben 
ihren bisherigen Bestand nur mit Mühe und nur auf Kosten der 
Freiconservativen behauptet, die Stärke der Ultramontanen ist in- 
tact geblieben und hat sich sogar um einige Mitglieder verstärkt; 
dagegen gehen die Fortschrittspartei und die Secessionisten fast ver- 
doppelt aus der Wahlurne hervor, tritt die Demokratie als Volks- 
partei zum ersten Mal wieder auf den Plan und sind die Sozial- 
Demokraten nirgends auf die Seite des Reichskanglers getreten. Das 
Resultat ist in so fern maßgebend, als bei diesem ersten Wahlgange 
alle Parteien ausschließlich nur für Candidaten ihrer speziellen 
Richtung gestimmt haben; für die Stichwahlen werden dagegen Com- 
promisse aller Art vorausgesehen, doch wird durch dieselben er- 
fahrungsgemäß das erste Resultat weder wefentlich verändert noch 
auch nur abgeschwächt, sondern vielmehr nur bestätigk, eher noch
	        
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