Da deulsche Reich und seine rinzelnen Glieder. (Dec. 2—5.) 305
die Volkspartei, die Sozial-Demokraten, die Polen und die große
Mehrheit des Centrums.
2. December. (Deutsches Reich.) Reichstag: Zwischen den
drei liberalen Fractionen, den Nationalliberalen, der liberalen Ver-
einigung (Secess.) und der Fortschrittspartei, ist eine allgemeine An-
näherung zu Stande gekommen. Es handelt sich indeß nicht um
die Bildung einer großen liberalen Partei und die Verschmelgung
der drei Fractionen, sondern ausschließlich um eine Verständigung
von Fall zu Fall.
Zwischen der liberalen Vereinigung und der Fortschrittspartei war
ein Cartell dahin abgeschlossen worden, über alle wichtigen Vorlagen und
Anträge eine Verständigung zu erzielen. Die Fortschrittspartei hat auch der
Volkspartei einen derartigen Vorschlag unterbreitet. Die Nationalliberalen
haben sich nunmehr entschlossen, dem zwischen der Fortschrittspartei und
liberalen Vereinigung Veschlossenen Cartell beigutreten. So werden zunächst
Delegirte der drei Fractionen zu einer Vesprechung Behufs Einbringung
eines Antrags auf Erweiterung des aftpflichtgesetes ammnentreten weitere
Anträge zum Schuh der Arbeiter sollen folgen. Die drei Gruppen wollen
den Antrag so schnell wie möglich ins Plenum bringen, damit dessen Durch-
berathung dort nach stattfinden kann.
3. December. (Elsaß-Lothringen.) Gegenüber den fort-
gesetzten Angriffen clericaler Zeitungen auf das höhere Unterrichts-
wesen in den Reichslanden beschließt eine größere Versammlung in
Straßburg folgende Resolutionen:
Agesichts der fortgesetzten Angriffe der ultramontanen Partei gegen
die unih elcht des höheren Schulwesens in Elsaß-Lothringen erklären
die Unterzeichneten im Interesse des confessionellen Friedens, der nationalen
Gesitiung und der ungestörten Fortentwickelung der Wissenschaft: 1) an den
höheren Schulen ist, mit Ausnahme der RNeligionsstunden, 6 Unterricht,
wie bisher, confessionslos zu ertheilen; 2) es ist zwar zweckmäßig, daß die
Confession der Lehrer nach Verhältuiß der Confessson der Schüler Berück-
sichtigung findet, aber grundsätzlich sind die Lehrer nach ihrer wissenschaft-
lichen und pädagogischen Brauchbarkeit und nicht nach ihrer Confession zu
ählen.“
5. December. (Preußen.) Fürst Bismarck ertheilt als Han-
delsminister dem (freihändlerischen) Vorsteheramt der Kaufmannschaft
in Danzig eine Art Verweis wegen mehrerer Behauptungen im
Jahresberichte desselben für 1880.
In dem Erlaß wird neuerdings behauptet, daß der Getreidezoll in
der Regel. vom Ausland bezahlt werde und bez. der Klagen über Abnahme
des Danziger Getreidehandels bemerkt, daß die zoll= und handelspolitischen
Mahnahmen in erster Linie nicht die Interessen einzelner Bevölkerungeclassen
wie der Danziger Kaufmannschaft, sondern die wirthschaftlichen Gesammt-
interessen des deutschen Reichs zu berücksichtigen hätten, zumal die Zahl der
an der Landwirthschaft Belheiligten der 3q| aller übrigen Reichsangehörigen,
und um so mehr der am Getreidehandel Betheiligten weit überlegen sei.
Schulthess. Europ. Geschichtskalender. XXlI. Bd. 20