310 Das deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dec. 12—15.)
12. December. (Deuksches Reich.) Reichstag: Commission
für die Vorlage bez. Hamburg: beschließt mit 11 gegen 2 Stimmen
und 8 Enthaltungen, auf die Bewilligung der 40 Millionen für
Hamburg anzutragen.
Der Beschluß erfolgt vor Beendigung der Vorberathung auf den An-
trag Windthorst's, der, wie seine Gegner behaupten, es gar nicht mehr er-
warten konnte, den „Zwischenfall“ in Vergessenheit zu bringen und sich beim
Reichskanzler wieder beliebt zu machen, indem er die Gelegenheit, seine
Dienstfertigkeit zu zeigen, geradezu bei den Haaren herbeigezogen habe.
Landabiliter sc subjecit! rufen sie ihm höhnisch zu.
12. December. (Preußen.) Die Handelskammer von Grün-
berg replicirt auf den Erlaß des Handelsministers vom 23. v. M.
in einem Schreiben, in dem sie ihr allgemeines Urtheil über die Ge-
schäftslage, unter VBerufung auf ähnliche Aufstellungen in den Be-
richten von 14 andern Handelskammern, festhält und nachzuweisen
sucht, daß sie ihren Bericht nach bestem Wissen und Gewissen und
den thatsächlichen Verhältnissen entsprechend angefertigt habe.
12. December. (Preußen.) Die Regierung anerkennt den
vom Papste ernannten Bischof Kopp von Fulda. Auch ihm wird
der staatliche Eid erlassen und die staatliche Vermögensverwaltung
der Diöcese auf den 27. d. M. ausgehoben.
13. December. (Deutsches Reich.) Reichstag: genehmigt
die Vorlage der Regierung bez. Errichtung eines Parlamentshauses.
15. December. (Deutsches Reich.) Reichstag: genehmigt
fast einstimmig einen Antrag Payer's (Volksparlei) auf Nevision
der Gerichtskosten und Ermäßigung der Gerichtsgebühren.
Große Debatte über Wahlbeeinflussungen der preußischen Re-
gierung bei den letzten Reichstagswahlen. Dieselben werden von
Dirichlet, Nickert u. A. scharf angegriffen, vom Vicepräsidenten des
preußischen Ministeriums und Minister des Innern v. Puttkamer
dagegen lebhaft in einer Weise vertheidigt, die einen entschiedenen
Widerspruch v. Bennigsens provocirt.
Die Debatte knüpft sich an einen Antrag Dirichlet's, der von
beinahe 100 Mitgliedern der liberalen Fractionen mitunterzeichnet ist und
ver dahin geht: „Die Wahlprüfungscommission zu beauftragen, dem Reichs-
tag über die bei den lehzten Wahlen hervorgetretenen Mängel des Wahlver-
fahrens, insbesondere in Rücksicht auf die Geheimhallung und Unabhängig=
keit der Wahlen und die hienach als nothwendig erscheinenden gesehlichen
und reglementarischen Abänderungen Bericht zu erstatten." Die Debatte ge-
staltet sich aber alsbald zu einem äußerst lebhaften Angriff auf die bei den
lezten Reichstagswahlen vorgekommene Beeinflussung seitens der preußischen
Regierung und einer Anzahl ihrer Beamten und einer nicht minder leb-
baften-. offenen Vertheidigung dieses ihres Verhaltens durch den Minister.
Gleich der er erste Redner Dirichlet lenkt die Debatte in diese Bahn, in-