Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

6 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 7.) 
ein dringendes Bedürfniß, wofür, wenn es erforderlich ist, vom deutschen 
Reiche finanzielle Opfer gebracht werden müssen. 3) Der Centralverein dankt 
dem Herrn Fürsten Reichskanzler für seine deßfallsigen Bestrebungen und 
bittet ihn, dieselben fortzusetzen, bis die commercielle Einheit im deutschen 
Vaterlande hergestellt ist.“ 
Reg.-Reg. a. D. Beutner aus Berlin, der den Antrag zu dieser 
Resolution stellt, begründet ihn folgendermaßen: Der Centralverein habe diese 
Frage in neuerer Zeit zuerst wieder in Fluß gebracht und müsse in diesem 
Bestreben fortfahren. Es sei nicht richtig, wirthschaftliche Reformen stets, 
wie es jetzt geschehe, mit dem Stempel der Reaktion zu brandmarken. Der 
Redner geht auf das Programm des Ministers Duckwitz im Jahre 1848 zur 
Herstellung der commerciellen Einheit in Deutschland und den Anschluß der 
deutschen Seestädte ein, welches damals von den Vertretern der Linken leb- 
haft befürwortet worden. Einen gleichen Standpunkt habe 1867 im consti- 
tuirenden norddeutschen Reichstage Moritz Wiggers eingenommen. Heute 
perhorrescire die liberale Partei eine gleiche Haltung. Die Hansestädte ver- 
schöben die Beweislast, welche eigentlich ihnen obliege, da sie ein Privileg 
für sich in Anspruch nähmen, also die Berechtigung desselben nachweisen 
müßten. Der Redner polemisirt sodann gegen die Broschüre des Bremer 
Syndikus Dr. Barth über die Freihafenstellung der Hanseslädte. Diese Bro- 
schüre lege großes Gewicht auf die Schädigung des Durchfuhrhandels durch 
den Zollanschluß. Eine solche Schädigung werde aber nicht eintreten, und 
zudem verdienten die Interessen der deutschen Industrie und des deutschen 
Eigenhandels eine größere Rücksicht als der Durchfuhrhandel. Hamburg ver- 
danke seinen großen Durchfuhrhandel nicht seiner Freihafenstellung, sondern 
seiner überaus günstigen geographischen Lage. Durch Wegfall aller unnöthi- 
gen Zollplackereien müßte der Durchfuhrhandel erleichtert werden. Die Ham- 
burger führten große Quantitäten ausländischer Produkte ein und detaillirten 
sie nach dem Inlande, ein Verfahren, welches viele Verzollungen und Kosten 
veranlaße, die vermieden würden, wenn der Verkehr mit dem Inlande durch 
Buchabschreibungen aus den Freilagern geregelt würde. Die Seestädte hätten 
früher im Gegensatz zu der jetzigen Generation die Solidarität der Interesen 
der deutschen Hansestädte mit dem deutschen Binnenlande betont. Der Be- 
richt der Bremer Handelskammer pro 1879 ergebe. daß der Import auslän- 
discher Waaren über Bremen stets in großen Dimensionen steige, während 
der Export deutscher Waaren nach dem Auslande über Bremen nicht gleichen 
Schritt halte. Der Egoismus, welchen der neueste Bericht der Hamburger 
Handelskammer an „Einen Ehrbaren Kaufmann" für den particularistischen 
Hamburger Handel im Gegensatz zu den Interessen des Reichs zeige, sei 
nicht berechtigt. Hamburgs directer Seeverkehr nehme im Vergleich zu den 
übrigen europäischen Entrepots immer mehr ab, er beschränke sich immer 
mehr auf den bloßen Küstenhandel. Das komme von der Mangelhaftig- 
keit der Hamburger Hafeneinrichtungen. Eine Verbesserung 
derselben nach englischem und belgischem Muster sei im  Inter- 
esse des Hamburger Verkehrs durchaus nothwendig. Die Sub- 
hastationsstatistik zeige eine bedeutende Erschütterung des Hamburger Wohl- 
standes. In Bremen wünsche ein größerer Theil des Kleinbürgerthums und 
des Handwerks den Zollanschluß, und nach den Berichten des „Hamb. Korr.“ 
sei diese Partei auch in Hamburg im Wachsen begriffen. Es müsse den 
Hansestädten ihr gutes Recht bleiben, aber man könne ein Mittel fin- 
den, die divergirenden Interessen zu versöhnen, indem das Reich die im 
Interesse der Schiffahrt nothwendig werdenden modernen Anlagen in den 
Hansestädten  als  eine  nationale  Aufgabe auf  seine Kosten  aus- 
führen lasse. '' 
  
         
  
 
	        
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