316 Das deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Ende Dec)
denen Politik gehuldigt haben, in gleicher Weise hervorgetreten sind.“ Die
Handelskammer betont nun, wie sie mit der Vehaupiung Recht gehabt habe,
daß es bei der seit 1878 eingeschlagenen Zoll= und Handelspolitik schwerlich
gelingen werde, Handelsverträge in der Art zu schließen, wie Fürst Bis-
marck sie im Schreiben - 15. December 1878 als eigentliches Ziel hin-
gestellt habe. In den der Regierung wahestehenden Kreisen wünsche man
jebt sogar das B Veie jolcher Verträge, und begrüße das Her-
vortreten irgend einer schutzzöllnerischen Negung in anderen Staaten, nament-
lich in dem bisher so ausgeprägt freihändlerischen England mit zunverhohlener
Frende, während wir doch im Interesse unserer auf die Ausfuhr ihrer Er-
zeugnisse angewiejenen Industrie dringend wünschen müssen, daß das Bei-
spiel, welches wir mit der Erhöhung unserer Eingangszölle gegeben haben,
nicht noch weitere Nachahmung finde. Abgejehen von Handelsverträgen,
deren Abschluß besser vor Inkrafttreten des neuen Tarifes geschehen wäre,
will die Kammer, obgleich sie mit letzterem nicht einverstanden, jetzt nicht an
demselben rütteln, nin wenigstens einmal der Industrie die ihr so nöthige
ruhige Entwicklung zu gönnen. Es nehme kein Wunder, daß die Ein-
zelnen vortheilhafte Schnbzollpoliti ansteckend wirke. Wann die Erkennt-
niß, daß diese zum Schaden der Gesammtheit geschehe, wiederkehren werde,
sei abzuwarten. Auf dem Gebiete der lücken= und fählerhaften Gewerbe--
gesetzgebung sei eine Rückwärtsbewegung eingetreten. Die Kammer hätte
nichts eingewendet gegen eine straffere Ordnung des Lehrlingswesens, gegen
Ausdehnung der Verpflichtung des Arbeiters zur Führung eines Arbeits
buchs bis zur Mündigkeit und (gegen Fortbildung der gesetzlichen Benerü
über die Innungen. Es sei aber nicht wirnschenswerth, wenn die Regelung.
des Lehrlings= und Inmurgzswesen auch jeßt, nach Erlaß der bezüglichen
Abänderungsgesetze zum Gegenstand der Agitation gemacht werde. Obliga-
torische Arbeitsbücher für alle Arbeiter aber hätten sich früher in Sachsen
nach den Wahrnehmungen in den Kreisen der Großindustrie vicht bewährt;
zur Erörterung dieser Frage sei die Zeit noch nicht gekommen. Man möge
den erlassenen Gesetzen Ruhe lassen. Zweifellos hänge die Besserung der
gewerblichen Verhältnisse von der eigenen Einsicht und Thatkraft der Ge-
werbetreibenden ab. Diese Thätigkeit aber werde durch das Nähren der
Meinung lahmgelegt, daß nichl an ihnen, sondern an der mangelhaften Ge-
fetgebun die Schuld für die beslehenden Zustände liege; die Gefehzgebung
von 1867—1878 widerspreche der schrankenlosen Gewerbefreiheit und bezeuge
namentlich in der Fnbreikgesetgebung einen sozialpolitischen Fortschritt. Die
straffere ——— der letzteren, das Geset über das Urheberrecht von Schrift-
werken, das Marken-Musterschuhz= und hüer en das Geseh gegen Ver-
fälschung der Nahrungs- und enußiiteel gehörten der Periode des „Man-
chesterihums“ an. Ebenso das Gesetz gegen Beschlagnahme ½ Ed.
lohnes, das Haftpflicht= und zuiel en und auf diesem weite
zugehen, hätte sie jederzeit empfohlen; nur müßten Nle und imhege dentlich
erkennbar bleiben, und die Vetheiligten zur Selbsthilse herangezogen werden.
Wenn man aber jeht, ü über die Grenzen der Armenpflege hinausgehend, auf
Kosten der Stenergahler als eine zweite Vorsehung für die Enterbten von
Staatswegen sorgen wolle, so könne dieß nur zum Unheil führen. Es
würde dieß unabsehbare Ansprüche der Massen an immer weitergehende
Staatshilfe gegen jede Noth des Lebens erzeugen, und diese, da sie unmöglich
erfüllbar, nur Enttäuschung und Unzufriedenheit vermehren. Möchte das
Vaterland hievon bewahrt bleiben. Gegen den ausdrücklichen Wunsch der
Betheiligten wolle man die staatliche Fürsorge auch auf Schiffahrt und
Rhederei erstrecken. Andrerseits sei man voreingenommen gegen den nach dem
volkswirthschaftlichen Gefetze der Arbeitstheilung vollberechtigten Zwischen-