Das deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Ende Dec.) 317
handel, diese Voreingenommenheit nähre auch der geltende Pakekportotarif,
der mit der Zersplitterung der Waarensendungen eine Vergendung von Ar-
beitskraft herbeiführe, die dem Betheiligten nur nicht fühlbar, weil sie auf
Kosten der Eisenbahnen erfolge, während die weit naturgemäßere Vermitte-
lung des Zwischenhandels keiseite geschoben werde. Solche Beeintrãchti-
gungen des Handels beklage die Leipziger Handelskamner
Dagegen meint . „Nordd. Allg. Zeitung": „Was ie deutsche In-
dustrie betrifft, so ist die Boll und Steuerreform 1881 zum GEstiende zu voller
Wirkung gekommen. Dah dieß nicht schon im vorhergegangenen Jahre der Fall
war, fand seine Begründung neben dem Druck, den die in colossalen Massen
vor der Einführung der neuen Zölle in Deutschland aufgestapelten fremden
Waaren und Producte übten, wesentlich in dem schlechten Gebrauch, den
die deutsche Industrie von der Wohlthat der neuen Zollpolitik machte. Die
gewaltige Ueberproduckion, zu der sich die deulsche Industrie sofort bei den
ersten Symptomen des wirthschaftlichen Aufschwunges hinreißen ließ, hat
sich empfindlich gestraft, und manche Hoffnungen, die berechtigter Weise ge-
hegt werden durften, im Keime erstickt. Anders im Jahre 1881. Es läßt
sich der Industrie die Anerkennung nicht versagen, daß sie dießmal das Ge-
schenk der Schupelte besser zu verwerthen verstanden hat und die Folgen
der Mäßigung haben sich in glänzender Weise documentirt. Seit fast drei
Vierteln des Vahres sehen wir die Preise der meisten Industrie-Erzeugnisse
in ruhiger, aber constanter Aufwärtsbewegung begriffen; zum Erstenmal seit
vielen Jahren, wenn die kurze speculative Hausse des Jahres 1879 außer
Betracht bleibt, welche mehr Schaden als Nutzen gebracht hat, arbeiten die
ausschlaggebenden Branchen, die Eisen= und Kohlenindustrie, mit befriedi-
gendem Nutzen, der sich auch in der vielfach zu conslatirenden Erhöhung der
Arbeitslöhne ausspricht. Im Inlande durch die neuen Zölle gegen die Con-
currenz des Auslandes in genügender Weise geschüht, konnte die deutsche
Industrie in Ruhe und mit Erfolg den Kampf gegen die übrigen Nationen
im Auslande aufnehmen, und wie weit ihr dieß gelungen ist, mag aus der
Thatsache hervorgehen, daß sich der Export aus Deutschland nach den Ver-
einigten Staaten von 351½ Mill. Dollar im Fiscaljahre 1878/79 auf
53 Mill. Dollar im Fiscaljahre 1880/81 gehoben hat —: eine Steigerung
von 50 Proc. in der Zeit von zwei Jahren. Bleiben diesem auf natür-
lichen Bedingungen beruhenden wirthschaftlichen Aufschwunge die sperulativen
Uebertreibungen, welche ihm im Vorjahre ein so schnelles Ende bereiteten,
dießmal fern, dann darf für die deutsche Industrie eine lange Periode des
Gedeihens in Aussicht genommen werden. Im engsten Zusammenhange mit
dem industriellen Aufschwunge und der Ausdehnung des Handelsverkehrs
steht die glänzende Entwicklung, welche der Eisenbahnverkehr im Jahre 1881
gewonnen hat. Die überwiegende Mehrzahl der deutschen Bahnen hat be-
deutende Mehreinnahmen gegen das Vorjahr erzielt, aus denen für die
Actionäre eine erhebliche Steigerung des Erträgnisses refultiren wird.
Brachten diese Mehreinnahmen und die Dividendensteigerung schon gine be-
deutende Vorliebe des Capitals für Eisenbahnwerthe zu Wege, so war dieß
in noch wesentlich gesteigertem Mabe der Fall durch die ensp
der Eisenbahnverstaatlichung in Preußen, Nachdem im Jahre 1879 Bahn-
complexe im Umfange von 5500 km. in den Besitz des Staates aberbihon
waren, und das Staatsbahnnetz dadurch eine Ausdrnng von 18,000 k
erlangt hatte, konnte es schon im vorigen Jahresbericht als eine zweifeloot
Thatsache bezeichnet werden, daß die Verstaatlichung sämmtlicher irgendwie
wichtiger Bahnen im Principe beschlossen und nur eine Frage der Zeit sei,
wenn auch aus Opportunitätsgründen die practische Durchführung dieses
Princips im Jahre 1880 geruht hatte. Man darf in dem Proceß der Eisen-