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sein müßte, die Entscheidung im Osten vor einer Conflagration im Westen
zu sichern. Die Strategie war deßhalb, wie uns scheint, von einem fehler-
haften Calcul bedingt, an der Seite der conservativen Mächte gegen die
elementare Gewalt des geschichtlichen Fatums der Pforte Aufstellung zu
nehmen, anstatt daß Oeslerreich dieselbe in seine Bahnen zu lenken ver-
sucht hätte."“
2. Januar. (Oberösterreich.) Der Ministerpräsident Taaffe
empfängt eine Deputation des Linger Bauern-Comité und sucht die-
selbe bez. der Grundsteuerfrage zu beschwichtigen. Der Statthalter
v. Pino erlaubt nunmehr die, zuerst auf den 27. December v. J.
untersagte, Abhaltung eines Bauerntags, nachdem die beanstandeten
Puncte aus der Tagesordnung gestrichen worden sind.
Trob aller Freundlichkeit sieht indeß die Regierung die Bauernbe-
wegung, die eine deutsche Provinz nach der andern ergreift, nicht gern, da'
sie ihre Circel im Reichsrathe zu stören droht. Die föderalistische Mehrheit
im Reichsrathe, auf die sie sich stützt, ist so klein, daß auch nicht die kleinste
Fraction derfelben abfallen darf, ohne die Stellung der Regierung zu ge-
fährden, ja geradezu unhaltbar zu machen. In der Grundstenerfrage müssen
die bäuerlich-clericalen Abgeordneten, die allein von allen deutschen Abgeord-
ulnneten zur Mehrheit und zwar als Mitglieder des Clubs Hohenwart halten,
ihre materiellen Interessen preisgeben, wenn der Forderung der Polen ent-
sprochen werden soll. Dagu aber ist das Regiment Taaffe genöthigt und
entschlossen, obgleich der ursprüngliche Zweck derselben dadurch in sein gerades
Gegentheil verkehrt, d. h. aus der beabsichtigten Vermehrung der Staatsein-
nahmen vielmehr thatsächlich eine Verminderung derselben wird.
4. Januar. (Oesterreich-Ungarn.) Die europäische Donau-
Commission in Galatz geht resultatlos auseinander und will erst
Mitte April wieder zusammen treten. Das österreichische Arant-
projet (Vorsitz und dirimirende Stimme für Oesterreich in der
Commission der Uferstaaten) ist definitiv gescheitert. Gegenüber der
mißtrauischen Zurückhaltung Englands und Rußlands, der gleich-
giltigen Kühle Frankreichs, der Politik der freien Hand seitens Ita-
liens und der offenen Feindfeligkeit Rumäniens und Bulgariens
trat nur Deutschland entschieden, aber ohne Erfolg auf Seite Oester-
reichs. (s. 15. Nov. u. 4. Dec. 1880.)
8. Januar. (Böhmen.) Die Ceechen seßen ihren Plan, die
Universität Prag den Deutschen zu entreißen und auf einmal oder
allmälig zu czechisiren, beharrlich fort. Der Senat der Universität
spricht sich indeß gegen den ersten Schritt, eine sprachliche Trennung
der juridischen und der philosophischen Facultät, mit allen gegen 1
Stimme, des Professors der Theologie Borovy, aus. Vorovy gibt
ein Minderheitsvotum zu Protocoll, in dem er sich auf § 19 des
Staatsgrundgesetzes und auf die wissenschaftlichen Bedürfnisse der
chechischen Nationalität beruft.