Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

Die Gesterreichist- Mngarisee Meonarhir. (Jan. 9 —14.) 321 
9. Januar. (Salzburg.) Die Regierung köst den liberalen 
Verein in Salgburg auf, weil er sich in seinem Jahresbericht un- 
günstig über den Ministerpräsidenten sowie über die Majorität des 
Reichsraths und des Salzburger Landtags aussprechen will. 
10. Jannar. (Oberösterreich.) Bauerntag in Ling. Der- 
selbe nimmt einen durchaus würdigen Verlauf. 
Im Grunde sprechen sich die versammelten Bauern weder für links 
noch für rech “ aus, sordern fassen nur den Entschluß, selbstthätig ihre 
eigenen Inleressen zu wahren, unabhängig von den politischen Actionen der 
bestehenden Parteien. Der Vorgang entbehrt aber darum doch nicht der 
politischen Bedeukung. Die Abwesenheit der Capläne und das Bildniß 
Kaiser Josephs, das die Volksfesthalle schmückt, sind sehr bezeichnende Symp- 
tome der Sitnation, obgleich es noch keineswegs ausgemacht ist, daß die 
Bauern definitiv im Staude sein werden, sich dem Gängelbande der Kirche, 
die nur ihre eigenen Interessen verfolgt, zu entziehen. Immerhin werden 
sie durch den Beschluß, Wanderversammlungen zu organisiren, dem bisher 
dominirenden elericalen Volksverein Abbruch thun. Inzwischen erlassen die 
elericalen Abgeordneten Oberösterreichs einen Gesammtaufruf an ihre Wähler, 
in welchem sie die bedrohliche Grundstenerüberlastung Oberösterreichs aner- 
teunen, dieselbe aber als eine Schöpfung der Liberalen hinstellen, zu deren 
Besserung sie noch keine parlamentarische Gelegenheit gehabt hätten. Zum 
Schlusse des Aufrufs versprechen sie, gegen das Grundsteuergesetz zu stimmen. 
10. Januar. (Ungarn.) Reichstag: der Ministerpräsident 
Tisza beantragt in Folge der bevorstehenden Vereinigung der Mi- 
litärgrenze mit Croatien: 
„Das Abgeordnetenhaus möge die Wahl einer aus zwölf Mitgliedern 
bestehenden Regnicolar-Deputotion beschließen, in welche es acht, das Ober- 
haus aber vier Mitglieder zu entsenden hat, und deren Aufgabe darin be- 
stünde, im Einverständnisse mit der auch seitens Croatiens und Slavoniens 
zu entsendenden Zehutation und eventuell abweichend von jener Be- 
stimmung des § 3 des 30. Gesehartikels vom Jahre 1868, wonach die Zahl 
ficiAbgeordneten im Verhältnisse zur Devölkerungsgahl zu ver- 
dere festzustellen, wie viel Abgeordnete Croatien und Slavonien in 
den gemeinsamen Reichstag entsenden ##en.5 
14. Januar. (Oesterreich.) Der Justizminister v. Streit 
und der Handelsminister v. Kremer werden „über ihr Ansuchen“ 
entlassen und der bisherige czechische Minister ohne Portefeuille, 
Prazak, zum Leiter des Justizministeriums, der bisherige Statthalker 
von Oberösterreich v. Pino, der als Landespräsident der Bukowina 
schon dem Ministerium Hohenwart hingebende Dienste geleistet und 
sich auch dem Ministerium Taaffe bei den berüchtigten oberösterreichi- 
schen Großgrundbesitzerwahlen als ein allezeit gefügiges Werkzeug er- 
wiesen hatte, zum Handelsminister ernannt. Die drei vereinigten 
Fractionen der Mehrheit der Rechten des Reichsraths kommen einem 
reinen Parteiministerium allmälig immer näher. 
Graf Taaffe erklärt dem Correspondenten eines Berliner Blaltes „der 
Schulthesa, Europ. Geschichtskalender. XXII. Ab. 21
	        
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