Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

Die Oesterreichisch--Mugarische Mosarchie. (Jan. 23—27.) 323 
lehrer Unger wird zum Präsidenten, der gewesene Justizminister im 
Ministerium Hohenwart der Czeche Habietinek zum Vicepräsidenten 
des obersten Reichsgerichts ernannt. Die Czechen sind nicht zufrieden, 
daß Habietinek nicht gleich Präsident geworden ist. 
# 23. Januar. (Niederösterreich.) Die Bauernbewegung 
dauert fort. In Niederösterreich finden allein an diesem Tage drei 
Bauernversammlungen statt. Diejenige zu Krems ist die bedeutendste; 
die Bauern verlangen eine Regierung Oesterreichs im Geiste Kaiser 
Josefs, die Erklärung der deutschen Sprache zur Staatssprache und 
eventuell die Räumung des Reichsrathes durch die Deutschen, wenn 
die Slavisirung des Landes nicht aufhöre. Auch in Salzburg soll 
mit Bildung eines Bauerntages nach dem Muster des oberösterreichi- 
schen vorgegangen werden. 
Die bereits 5 Kronländer in Aufregung versehende „Bauernbewegung“ 
beunruhigt nachgerade nicht nur die Feudalclericalen, die besorgen, der po- 
lilischen Leithammelrolle verlustig zu werden, sondern auch die maßgebenden 
Kreise. Denn die Leiter der Bewegung werden sich nicht mit Steuererleich= 
terungen begnügen, sondern allgemeines Stimmrecht, Bestistungszwang, 
Grundentlastung zur Ablösung der Hypothekarschulden (nach dem unklaren 
Greuter'schen Programme), Neduction der Präfenzzeit und der Waffenübungen 
für Landwehr rc. verlangen. Sollte es dem deutschösterreichischen Bauern- 
stande, der sich übrigens gegenüber dem wälschlirolischen Colonen und dem 
ruthenischen Pächter noch in einem beneidenswerlhen Zustande befindet, ge- 
lingen, sich ganz von Sacristei= und Advocateneinflüssen zu emancipiren und 
gegen alles „Herrische“ Front zu machen, so würde die von der Verfassungs- 
partei geschicht zur Spaltung der Rechten ausgenühte Bewegung beiden Par- 
teien über den Ropf wachsen. 
27. Januar. (Böhmen.) Graf Taaffe gibt einer Deputation 
des Czechenclubs gegenüber in der Frage der Universität Prag nach. 
Graf Taaffe hatte bisher gegen die Czcchisirung der ältesten deutschen 
Universität, Prag, doch einiges Bedenken. Allein die Fractionen der Rechten 
haben ihn in der Hand. Noch kürzlich erklärte der Ministerpräsident die 
Frage der Prager Universität als nicht spruchreif, und ließ die Cäzechen be- 
755 derselben zur Geduld ermahnen. Aber als Antwort darauf erschien 
sofort in der Prager „Politik“ die feierliche Erklärung des Czechen-Clubs, 
daß die Czechen gerade in diesem Purcte nicht warten könnten und daß sie 
das Ministerium vor ein entschiedenes Entweder — Oder stellen müßten. Der 
czechische Club wartete auch nur die Budgetberathung ab, um diese Erklärung 
zur Wahrheit zu machen. Als der Budgetausschuß an das Capitel des 
„Dispositionsfonds" gelangte, slockten urplötzlich aus unbekannten Gründen 
bessen Berathungen und waren ungeachtet aller Urgenzen der Linken nicht 
weiter zu bringen. Das Hinderniß wurde erst klar, als die zum Budget 
eingebrachten Nachtragscredite erschienen und sich darin keine Nachforderung 
für die czechischen Facultäken an der Prager Universität vorfand. Jetzt er- 
scheint eine czechische Depukation beim Grafen Taaffe, um ihm auseinander- 
zuseben, was die Czechen unter Gleichberechtigung an der Prager Universität 
verstehen und constatirt zu allem Ueberfl uß die „Politik“, der „Dispositions- 
fonds sei diesmal von der parlamentarischen Majorität dazu ausersehen, um 
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