Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

326 Die Oesterreichisch-Angarische Monarchit. (Febr. 2.) 
Experiment sei, das gemacht werde, damit „der Nothschrei der Bevölkerung 
nicht ungehört verhalle.“ Sectionsrath Krall, der an der Abfassung des 
Gesetzes gorkoorrahanken Antheil hatte, muß zugeben, daß es eigentlich un- 
möglich sei, einen präcijen Begriff des Wuchers zu construiren, weil der 
Wucher aus Thatbeständen sich zufammensetzt, die unmöglich unter Strafe 
gestellt werden können, und es ebenso unmöglich ist, die Grenze zu sixiren, 
wo der ausbedungene Vortheil ein wucherischer wird. Der clericale Abg. 
Lienbacher aber constatirt, daß die Aera des freien Zinsfußes „nicht eine 
Steigerung, sondern eine Abnahme des Zinsfußes“ gebracht habe. Wozu 
dann ein Wuchergeseh nothwendig sei, das vergißt der fanatische Verfechter 
des Wuchergeseyzes des Näheren darzulegen. 
Budgetausschuß: genehmigt in seiner der Rechten angehörigen 
Mehrheit der Regierung den von ihr geforderten Dispositionsfonds 
als Vertrauensvotum, die verfassungstreue Minderheit verweigert 
ihn als Mißtrauensvotum. Im vorigen Jahre wurde derselbe vom 
Reichsrath mit einer Mehrheit von 2 Stimmen abgelehnt, da sich 
mit Baron Giovanelli noch einige andere clericale Tiroler vor der 
Abstimmung entfernt hatten, ebenso von den Czechen Dr. Julius 
Gregr. Die Czechen stimmen dieses Mal ohne Vorbehalt für die 
Bewilligung. 
In der Debatte ergreift Wolfrum Namens der Mitglieder der Ver- 
fassungspartei das Wort, um zu erklären, daß er und seine Gesinnungsge- 
nossen dießmal es laut aussprechen wollen, daß sie gegen die Bewilligung 
des Dispositionsfonds sind, weil ihnen daraus im Vorjahr ein Vorwurf 
genacht wurde, daß sie nur stillschweigend gegen denselben gestimmt haben. 
Seine Partei stimme gegen die Bewilligung, weil sie vom tiefsten Miß- 
trauen gegen diese Regierung erfüllt sei, und dieses Mißtrauen sei dadurch 
esteigert worden, daß die Tagesbegebenheiten und die Ennnciationen der 
Blautl den Beweis erbringen für täglich stattfindende Abmachungen, auf 
Grund deren erst einzelne Positionen des Budgets von der Mehrheit des 
Hauses genehmigt werden sollen. Nach jeder wichtigen Regierungsaction 
werde immer wieder Hat gemacht und von Etape zu Etape weiter verhan- 
delt, ob nicht neue Zugeständnisse an die rechte Seite des Hauses von der 
Negierung erlangt werden können, und erst wenn solche Zugeständnisse von 
der Regierung erlangt sind, schreite man in der parlamentarischen Action 
weiter, und genehmige der Regierung jene Budget-Posten, welche sie zur 
Führung der Staalsgeschäfte als unerläßlich bezeichnet. Die Lage der Staats- 
finanzen sei im letzten Jahr eine solche geworden, daß seine Partei schon mit 
Hinblick auf dieselbe zu der Regierung kein Vertrauen haben könne. Die 
gegenwärtige Session des Reichsrathes sei in wirthschaftlicher Beziehung 
ganz unfruchtbar, daher könne kein gewissenhafter Abgeordneter für den 
Dispositionsfonds stimmen. 
2. Februar. (Oberösterreich.) Die Statthalterei verbietet 
die vom Bauerntag in Linz am 10. v. M. beschlossene Bildung 
eines förmlichen Bauernvereins schließlich doch und zwar auf Grund 
der Statuten als gesetzwidrig und staatsgefährlich. 
Als staatsgefährlich bezeichnet die Statthalterei die Bestimmung, daß 
Mitglieder vom Ausschuß ohne Angabe der Gründe aus dem Verein ausge- 
 
	        
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