Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

Die Oekierreichisch-Magarische Monarchir. (April 6.) 339 
Hoffuung einer Mehr-Rente gehabl, wie der Staat eine Verzinsung in Gold 
zusage und sich damit allen Schwankungen der Valuta aussetze 2c. Die 
Redner der Linken führen all' dieß des weiteren aus, predigen aber tauben 
Ohren; die Rechte spricht nicht, sondern stimmt bloß für die Vorlage. 
Die Regierung bringt eine Vorlage ein für die Erbauung 
einer Galizischen Transverfalbahn. Den Forderungen der Polen 
wird so durch eine neue Concession entsprochen. 
Da nach Ostern das Budget endlich in Angriff genommen werden 
soll, so stellen die verschiedenen Fractionen vorher noch ihre Bedingungen, 
denen Graf Taaffe wohl oder übel entsprechen muß, wenn er das Andget 
nurchbringen will. Die Tiroler wollten nicht für die Gebäudesteuer stimmen, 
z sie das Versprechen erhalten hatten, daß für Tirol ein fünfgehnprocentiger 
Nse bewilligt werden würde, deßgleichen eine Begünstigung für den 
Curort Meran; die Czechen strauben sich, in die Berathung des Budgets 
einzugehen, ehe die Prager Universitätsfrage nach ihrem Wunsche gelöst sei, 
und darum wird das Budget erst nach Ostern vorgenommen werden, damit 
indessen die Regierung Zeit gewinne, die Zweitheilung der Prager üniverfität 
im administrativen Weg anzuordnen; die Polen wieder verlangen einige 
neue Bahnlinien, und da die Vorlage über die sogenannte galizische Trans- 
versalbahn gerade in demselben Moment eingebracht wird, wo die Vorlage 
über die Verslaatlichung der Kaiserin Elisabeth= Westbahn zur parlamen= 
tarischen Behandlung gelangt, so wird ohne Zweifel auch ein Zusammen- 
hang zwischen diesen beiden Vorlagen bestehen. Die Rechtspartei verlangt 
ihrerseits wieder, daß die Regierung im Herrenhause den Lienbacher schen 
Schulgesehantrag. der dort auf Opposition stößt, durchbringe. Die Lage des 
Grafen Taaffe ist unter diesen Umständen unzweifelhaft eine schwierige. Er 
widersteht den verschiedenen Forderungen so lange als möglich; aber er hat 
manches bereits bewilligen müssen und wird noch mehr bewilligen müssen 
und dadurch doch nur erreichen, ut acrius exposceremt. 
6—7. April. (Oestereich.) Herrenhaus: Debatte über den 
Antrag Lienbacher und die Verkürzung der Schulpflichtdauer. Die 
Commission des Hauses bringt einen Mehrheits= und einen Minder- 
heitsantrag ein. Die Regierung spielt in der Person des Unter- 
richtsministers eine geradezu traurige Rolle. Schließlich wird in 
namentlicher Abstimmung mit 77 gegen 32 Stimmen der Mehr- 
heitsantrag der Commission angenommen, der den Beschluß der fö- 
deralistischen Mehrheit des Reichsraths wesentlich und prineipiell 
ablehnt. 
Die föderalistische Mehrheit des Abgeordnetenhauses hatte den An- 
trag des elericalen Abg. Lieubacher angenommen, welcher formell den Land- 
tagen das Recht ertheill, Abkürzungen in der achtjährigen Schulpflicht ein- 
treien zu lassen, in der Sache aber einfach auf eine Herabsetzung der Schul- 
pflicht auf 6 Jahre herauskommt. In der vom Herrenhaus eingesetzten 
Commission wurde dann durch Vereinigung der verfassungstreuen und der 
Mitglieder der Mittelpartei ein Antrag zu Tage gefördert, der das Princip 
der achtjährigen Schulpflicht durchaus aufrecht erhält und Erleichterungen 
nur im Wege des Reichs, beziehungsweise des Cultusministeriums, wie solche 
thatsächlich bereits vielfach zugestanden worden, zulassen will. Diesem An- 
trage der Commissionsmehrheit stand ein Minderheitsvotum engeren, welches 
 
	        
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