Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

Die Oesterreichisch-Augarische Monarchie. (April 9—11.) 341 
ausgesprochen: „Wir kommen, um Ihnen die bestimmte Millheilung zu 
machen, daß ein von den bisherigen handelspolitischen Tendenzen abweichender 
Zollvertrag von dem Abgeordnetenhause nicht genehmigt werden würde."“ 
Diese Erklärung wird übereinstimmend von den Vertrekern der Majorität 
wie der Minorität des Haufes abgegeben. Der Minister erklärt, die Ver- 
handlungen würden noch geraume Zeit in Anspruch nehmen und er könne 
sich daher auf detaillirte Angaben nicht einlassen. Man dirfe jedoch als 
gewiß annehmen, baß die Regierung schutzbedürftige Industrien nicht preis- 
geben werde 
9. April. (Oesterreich.) Neichsrath: die Commission für Vor- 
berathung des Antrags Herbst gegen die Sprachenzwangs-Verordnung 
der Regierung v. 19. April 1880 für Böhmen und Mähren spaltet 
sich in eine Mehrheit und eine Minderheit. Jene beantragt, den An- 
trag abzulehnen, diese, ihn anzunehmen; für jene erstattet Havelka, 
für diese der Frhr. v. Scharschmid den Bericht. Die Entscheidung 
des Reichsrathes ist von vorneherein nicht zweifelhaft: die födera- 
listische Mehrheit wird den Antrag der Mehrheit genehmigen und 
über die nationalen Beschwerden des deulschen Volkes in Oesterreich 
im Interesse der flavischen Nationalitäten zur Tagesordnung über- 
gehen. 
11. April. (Böhmen.) Eine kaiserliche Entschließung ent- 
spricht der Forderung der Czechen beg. der Universität Prag, 
indem die künftige Organisation derselben in der Weise geregelt wird, 
daß von nun an an derselben zwei gesonderte Hochschulen, die eine mit deutscher, 
die andere mit böhmischer Vortragssprache, unter dem gemeinsamen Namen 
„Carolo-Ferdinandea“ bestehen sollen. Die czechische juristische und philo- 
sophische Facullät soll schon mit dem 1. October d. J. ins Leben kreten, 
und die Errichtung der medieinischen und der theologischen Facullät im 
October 1882 folgen. Doch wird beigefügt, daß bei den administrativen 
und judiciellen Prüfungen an der czechischen Universität die Kenntniß der 
deutschen Sprache sichergestellt werden müsse. Die Ausführung der Maß- 
regel hängt freilich noch von den Beschlüssen des Reichsraths ab. Doch ist 
an der Zustimmung des Abgeordnelenhauses und seiner föderalistischen Mehr- 
heit nichl zu zweifeln, vielleicht dagegen an der des Herrenhausest da wird 
auch hier durch neue Pärsschübe geholfen werden können. Das Schicksal 
der ällesten deutschen Universität ist damit allem Anscheine nach Shiahser 
Aus der anfänglichen Zweitheilung muß sich das allmälige Absterben des 
schwächeren deutschen Theiles und die Czechisirung der ganzen Universität 
fast mit Nothwendigkeit entwickeln. Die Bedentung für Oesterreich springt 
in die Angen. Die Errichtung einer czechischen Universität ist ein ungeheurer 
Erfolg der czechischen Politik in nationaler Beziehung und zugleich der föde- 
ralistischen Tendenz in Laaksrechtlicher Beziehung. Troßdem sind die Czechen 
noch nicht zufrieden. Die angehängte Clausel ärgert sie und sie verlangen, 
daß, wenn die Czechen sich im Examen über die Kenntniß der deutschen 
Sprache ausweisen sollen, dieß umgekehrt auch von den Deutschen bez. der 
chechischen Sprache gefordert werden müsse. Daß die Maßregel nicht im 
Interesse der Wissenschaft erfolgt, liegt außer Zweifel: es gibt keine czechische 
Wissenschaft und wird auch auf lange Zeit hinaus noch keine solche geben. 
Sie ist auch nicht um der Wissenschaft, sondern um der „Gleichberechtigung
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.