Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 9.) 9
schlagen. Richter und die Fortschrittspartei haben jedoch, um den Conser-
vativen in dieser populären Maßregel den Rang abzulaufen, bereits den
Antrag gestellt, den Steuererlaß zu einem dauernden zu machen. Allein
selbst der einmalige Steuererlaß kann nicht aus Ueberschüssen der Budgets,
sondern müßte unzweifelhaft aus einem Anlehen gedeckt werden. Es geht
das unzweifelhaft aus dem Exposé hervor, das der langjährige Vorsitzende,
der Budgetcommission, v. Benda, an diese gerichtet hat. Zunächst wird
darin das Ergebniß der bisherigen Berathungen des Plenums über den Etat
für 1881/82 zusammengefaßt. Danach stellten sich die dauernden Ausgaben
auf 872,772,766 Mark, die einmaligen auf 39,921,518 Mark, also die sämmt-
lichen Ausgaben auf 912,694.284 Mark Zieht man davon die Einnahmen
mit 884,446,284 Mark ab, so bleiben als aus der Anleihe zu decken
28,248,000 Mark, also 2,332.000 weniger als nach dem Etatsentwurf.
Das Exposé kommt zu dem Ergebniß, daß die legitimerweise aus der Anleihe
zu deckenden Summen, d. h. alle Ausgaben, welche productiver Natur sind
oder entsprechende Ersparnisse in den dauernden Ausgaben herbeiführen, auf
21,859,176 Mark anzunehmen seien. Aus den laufenden Einnahmen blieben
also zu decken 17,982,042 Mark oder abzüglich der Ausgaben für Justizbauten
aus dem frühern Pauschquantum 16,051,242 Mark (noch nicht 2 Prozent der
Gesammtausgaben). Die Anleihe müßte also nicht 28,248.000 Mark, sondern
nur etwa 22 Millionen Mark betragen. Die übrigen 6—7 Millionen
müßten aus den laufenden Einnahmen bestritten werden, so daß zur Ver-
wendung als Steuererlaß nicht 14 Millionen, sondern nur etwa 7 Millionen
übrig bleiben würden. Dem Einwurf, daß auch dieses halbwegs günstige
Ergebniß nur möglich ist, wenn das Abgeordnetenhaus von der in Aussicht
stehenden Erhöhung des preußischen Matricularbeitrags für 1881/82 ganz
absieht, begegnet Herr von Benda mit dem Hinweis auf das bekannte
Schreiben des Finanzministers, in welchem erklärt war, daß eine sichere
Grundlage für die höhere Einsehung des Matricularbeitrags nicht vorhanden
sei, so lange das Reichsbudget nicht der Beschluffassung des Bundesraths
und des Reichstags unterlegen habe. Bezüglich der Frage des Steuerer-
lasses beschränkt sich der Verfasser des Exposés auf die Erklärung: „Die
Folgerungen aber aus den oben angeführten Thatsachen und den solst ge-
machten Feststellungen für den proponirten Steuererlaß von 14 Millionen
und den Richter'schen Antrag zu ziehen, wird nicht Sache einer technischen
Commission, sondern der politischen Körperschaft selbst sein, welche über die
großen politischen Fragen des Landes zu entscheiden hat.“
9. Jannar. (Preußen.) Abg.-Haus: weist den Gesetzentwurf
betr. den Erwerb und weiteren Ausbau der Rhein-Nahe-Bahn, so
wie den Gesetzentwurf betr. das Pfandleihgewerbe an Commissionen.
9. Januar. (Württemberg.) Landesversammlung der „deut-
schen Partei in Württemberg“ in Stuttgart. Dieselbe genehmigt
ein aus 20 Artikeln bestehendes Parteiprogramm.
Gegen den § 2, welcher die Wehrverfassung des Reiches berührt,
hatte sich bereits in der Vorversammlung eine lebhafte Opposition geltend
gemacht und war sogar die Streichung dieses Paragraphen beantragt worden.
Der Passus lautet: „Die Nothwendigkeit einer starken militärischen
Bereitschaft ist dem Reiche durch seine centrale Lage und durch die der-
maligen unsichern Verhältnisse unseres Welttheils auferlegt. Unser Volk
kann sich den damit verbundenen schweren Opfern nicht entziehen. Allein
berechtigt ist die Forderung an Reichsregierung und Reichstag, nichts über