Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

12 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 13.) 
consequenz der Conservativen und die Schwäche ihres Gedächtnisses gegen- 
über ihrem eigenen Auftreten im vorigen Jahre zu Tage. Rickert stimmt 
für den Antrag Hänel, weil es ihm unangemessen erscheint, das Zuständig- 
keitsgesetz auf die neuen Provinzen zu übertragen, ehe dort die Kreisordnung 
eingeführt ist. Nachdem Minister Graf Eulenburg und Abg. v. Ben- 
nigsen sich gegen den Antrag Hänels ausgesprochen, wird derselbe gegen 
die Stimmen der Fortschrittspartei, der Secessionisten, der Polen und eini- 
ger Mitglieder des Centrums abgelehnt und sodann in der Specialdiscussion 
der Regierungsentwurf angenommen, doch nur mit einigen sehr wesentlichen 
Modificationen. 
13. Januar. (Württemberg.) II. Kammer: beräth in Folge 
von drei verschiedenen Interpellationen über die Frage des Vaganten- 
thums als einer allgemeinen Landplage. 
Frhr. v. Ow. meint, daß die Zunahme von Verbrechen und Vergehen 
und in Folge davon des Criminal- und Polizeiwesens in erster Linie auf 
Rechnung der Vaganten zu schreiben sei. Die dem Lande auferlegten Opfer 
seien große, zum Theil enorme: man könne die Last, in Geld ausgedrückt, 
für Württemberg 6 Millionen, für Deutschland zu 110—120 Millionen 
Mark annehmen. Die Vaganten vertheilen sich nicht gleich in ganz Deutsch- 
land: sie suchen die bevölkertsten Gegenden von Südwestdeutschland am 
liebsten auf. Die Zahl der Vaganten in Deutschland werde zu etwa 200,000  
Köpfe berechnet. Thatsache sei nun, daß in erster Linie der Mangel an Ar- 
beit die Schuld trage, sodann die übergroße Zunahme der Bevölkerung, die 
5 Proc. betrage, während die Auswanderung im Durchschnitte der letzten 
5 Jahre nur  1/10 Proc. betrage. Deßhalb sei die Auswanderung zu unter- 
stützen und ebenso auch die Colonialpolitik Deutschlands. obgleich man sich 
nicht allzuviel davon versprechen dürfe. Minister v. Sick antwortet dahin, 
daß die Regierung ihrer Pllicht, dem Vagantenthum entgegen zu treten, jeder 
Zeit bewußt gewesen. Leider seien die Mittel zur Unterscheidung der Stro- 
mer und der wirklich Arbeit Suchenden sehr beschränkt, da weder Paßzwang, 
noch für volljährige Arbeiter die Verpflichtung zu Führung von Arbeits- 
büchern bestehe. Ebenso seien die Miltel beschränkt, um dem gewohnheits- 
mäßigen Bettel und der Landstreicherei mit Erfolg entgegenzutreten. Was 
dagegen von der Regierung nach dem bestehenden Recht gethan werden könne, 
sei geschehen und geschehe, gesetzliche Aenderungen bez. Arbeitlsbücher und 
Paßzwang für mittellose Reisende falle in die Competenz des Reiches. 
13. Januar. (Waldeck.) Landtag: vertagt sich auf unbe- 
stimmte Zeit, da von Berlin aus noch keine Antwort auf den Be- 
schluß, das Budget zu verweigern, eingegangen ist. Der Landes- 
director sucht die Versäumniß hauptsächlich durch „die Arbeitsüber- 
häufung des Fürsten Bismarck“ zu erklären und meint, daß es sich 
nicht absehen lasse, wann die Antwort eintreffen werde. 
13. Januar. (Lippe.) Der Fürst erläßt einen ziemlich un- 
gnädigen Landtagsabschied, indem er bemerkt, daß er sich vorbehalte, 
„dem Landtag nach seiner Wiedereinberufung wegen der theilweise 
so unangemessenen Form, in welchem derselbe Uns seine Erklärungen, 
Wünsche und Gesuche vorgetragen hat, die geeigneten Eröffnungen 
zugehen zu lassen“. 
 
	        
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