Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

Die Oeslerrtichisth · Iugarische Monarchie. (Nov. 15.) 387 
Versammlungen einstimmig: sie seien bereit, dem vom Parleitags= 
Comite gestellten Ersuchen, zum gemeinsamen Schutz des Deutsch- 
thums und des öslerreichischen Staatsgedankens, zunächst zur gesetz- 
mäßigen Bekämpfung der gegenwärtigen Regierungspolitik, in einen 
einzigen parlamentarischen Parteiclub sich zu vereinigen — zu ent- 
sprechen, und wählen zu diesem Behuf ein Vierzehnercomile, um über 
diesen Gegenstand zu berathen und den beiden Elubs Bericht und 
Vorschläge zu erstatten. 
15. November. (Oester reich.) Hauptversammlung des öster- 
reichischen Gewerbelages in Wien unter Theilnahme von ungefähr 
2000 Personen. Die vom Referenten Löblich begründele Resolution — 
welche aus 12 Puncten besteht und u. a. die Beibehaltung der obli- 
gatorischen Genossenschaften, die Erbringung des Befähigungsnach- 
weises, die Abschaffung des Hausirhandels, die Abschaffung der in- 
dustriellen Strafhaus-Arbeit, die Einführung der progressiven Cin- 
kommensteuer, die Trennung der Handels= von den Gewerbekammern 
und Errichtung von Arbeiterkammern, die Errichtung von staatlich 
subventionirten gewerblichen Versorgungscassen, die Erhöhung der 
Schutzzölle und die Einführung des allgemeinen directen Wahlrechts 
fordert — wird einstimmig angenommen. 
15. November. (Ungarn.) Der Unterrichtsminister Trefort 
spricht sich in einer Nede an seine Wähler gegen ein Monopol auf 
dem Gebiete des öffentlichen Unterrichts aus: „Die Hauptrichtung 
meines Vorgehens ist: Förderung der ungarischen Cultur in geistiger 
und materieller Beziehung auf dem Pfade der westlichen Civilisation.“ 
Die Opposition gebärdet sich über diese Erklärung ganz entrüstet. 
In der That macht man sich in Deutschland kaum einen Begriff davon, mit 
welchen ungeheuren Schwierigkeiten auch die natürlichsten und gerechtesten 
Bestrebungen der Dentschen in Ungarn zu kämpfen haben. Gegenüber 
keiner der Nationalitäten Ungarns verfährt die ungarische Regierung rück- 
sichtslofer als gerade gegen die Deutschen. Es mag diehb seinen Grund darin 
haben, daß die übrigen Nationalitäten eine größere Widerstandsfähigkeit 
gegen die Magyarifsirung an den Tag legen als die Deutschen. Die ungarische 
Regierung mag alles eher dulden, als daß man von einer deutschen Natio- 
nalität in Ungarn auch nur sprechen darf, obwohl die Deutschen in Ungarn 
mehr als zwei Millionen zählen und die intelligente und strebsamste Nalio- 
nalität bilden, eigentlich jene Nationalitöt, aus welcher sich vorzüglich die 
Intelligenz der Magyaren recrntirt. Kein Wunder daher, daß das Be- 
streben der ungarischen Regierung dahin gerichtet ist, gerade diese Nationalität 
am meisten zu unterdrücken, um sie desto sicherer in die Arme des Magyaren- 
thums zu treiben. Die Magyaren stemmen sich aufs äußerste gegen eine 
„Germanisirung“ Ungarns und doch steht es außer allem Zweifel: In dem 
Maße als die Ungarn sich zu einem Culturvolke heranbilden, werden sie 
immer mehr „magyarisch sprechende Deutsche“ werden, ob sie es wollen 
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