388 Die Oesterreichisch--Augarische Monarchie. (Nor. 17—19.)
oder nicht. Mer sich die Vorgänge in Pest-Ofen während des letzten Jahres
vergegenwärtigt, darunter vor Allem die temporäre Schliebung des Deutschen
Theaters, angeblich weil für ein solches kein Bedürfniß sei, der mußte zu
dem Glauben gelangen, die Hauptstadt Ungarns sei eine fast rein magyarische
Stadt, in welcher sich nur noch kümmerliche Ueberreste einer dentschen Be-
völkerung. befinden. Nun hat aber die neueste Volkszählung das über-
raschende Ergebniß zu Tage gefördert, daß in Pest-Ofen bei einer Gesammt-
bevölkerung von 360,551 Einwohnern 119,902 Deutsche leben, während sich
die Zahl der Magyaren auf 198.742 beläuft; der Rest vertheilt sich auf
die übrigen Nationalitäten. Dazu schreibt die' „Deutsche Ztg.“: „Also ein
volles Drittel der Bevölkerung der ungarischen Hauptstadt bekenus sich zur
deutschen Muttersprache! Außerdem wird man woht, nicht irregehen, wenn
man einen großen Theil der 198.742, welche sich als Magyaren ausgeben,
für die deutsche Nationalilät reclamiri, so daß man wohl mit gutem Grund
behaupten kann, die Hälite der Bevölterung der ungarischen Haupistadt be-
dient sich der deutschen Umgangssprache. Und für diese deutsche Bevölkerung,
welche der Bewohnerzahl der Hauptstadt eines deutschen Königreichs gleich-
kommt, ist keine einzige Mittelschule vorhanden. Kein deutsches Schriftstück
wird bei Amt und Gericht angenommen Wir bringen dieß nicht deßwegen
zur Sprache, weil wir etwa den Magyaren ihre staatliche Unabhängigkeit
mißgönnen. Ein solcher Gedanke liegt uns ganz fern. Wir haben den
Pact, durch welchen der ungarische Staat aufgerichtet worden, offen accep-
tirt und verschließen uns nicht vor dem unerbittlichen Gang der Ereignisse,
die zu immer größerer Selbständigkeit Ungarns führen müssen; aber was
wir wohl, ohne Feinde des ungarischen Stnatsgedankens zu sein, verlangen
können, ist, daß unseren Stammesgenossen in den Ländern der ungarischen
Krone die Mittel zu ihrer nationalen Forteristenz nicht versagt werden.“
Die Wahlen für den serbischen Kirchencongreß behufs Erwählung
eines neuen Patriarchen sind durchwegs zu Gunsten der serbischen Natio-
nalen ausgefallen. In der eigenen Diöcese konnte Bischof Andjelits
(der Candidat der ungarischen Regierung) keinen einzigen seiner An-
hänger durchsetzen, trotz der großen Pression von Seite der Regie-
rungsorgane. Von den 75 gewählten Deputirten dürfte Andjelits
kaum 4—5 Anhänger zählen. Es ist dieß eine große Verlegenheit
für die ungarische Regierung.
17. November. (Oesterreich-Ungarn.) Die beiden Dele-
gationen gleichen ihre nicht wesentlichen Differenzen aus, worauf die
Session geschlossen wird. Das gemeinsame Budget ist mit ganz un-
bedentenden Abstrichen nach den Forderungen der Regierung be-
willigt.
19. November. (Oesterreich-Ungarn.) Graf Kalnocky, der
bisherige Votschafter am Hofe von St. Petersburg, wird zum ge-
meinsamen Minister des Answärtigen ernannt.
19. November. (Oesterreich.) Graf Taaffe greift neuerdings
zu einem Pärsschub von 14 Mitgliedern des Herrenhaufes. Die Re-
gierungspartei erhält dadurch 13 weitere Stimmen im Herrenhause,