Grobrillannien. (Sepl. 15.—17.) 429
gemeinen Verwaltungsrathes der Gesellschaft der Landwirthe und Pächter
Farmers Alliancc) der Beschluß gefaßt. in Anbetracht der andauernden
drückenden, durch die heurige Mißernte noch mehr verschlimmerten Lage der
landwirthschaftlichen Zustände, welche die Einbringung von abhelfenden
Maßregeln in der kommenden Parlamenkssession dringend nothwendig machen,
ofort von einem besonderen Ausschusse der Gesellschaft den Entwurf einer
„Landbill für England und Scholtland vorbereiten zu lassen, welche einer
Conferenz der Mitglieder der Gesellschaft im Monat November zur Berathung
vorgelegt werden soll, und in der Zwischenzeit die Zustimmung des Premier=
ministers zum Empfang einer besonderen Deputation über diesen wichtigen
Gegenstand zu erwirken. In einem weiteren Beichlusse spricht sich der Ver-
waltungsausschuß nach sorgfältiger Erwägung der in den Vordergrund der
Tagesfragen gedrängten Forderung nach „Neciprocitäl“ oder . Fair Trade.-
aufs bestimmteste dahin aus, daß ein gemeinsames Zusammenwirken der
Landwirthe und Pächter des Vereinigten Königreiches mit den Fabricanten,
welche auf eine Wiederbelebung des Protectionssystems hinarbeiten, ein sehr
unweises Beginnen sein würde, indem, wenn es überhaupt möglich wäre,
durch vereinigte Anstrengungen die nalionale Politik der Handelfreiheit
durch Wiedereinführung des Schutzzollsystems aus dem Felde zu schlagen,
die Interessen der Landwirthschaft dieser Umkehr zuerst zum Opfer fallen
müßten. Der Ausschuß könne daher die gegenwärtige Agitation zu Gunsten
einer sogenannten „Pair Tracke--Politik nur für eine große Täuschung und
eine Lockspeise erklären, weil erstens nicht die entsernteste Aussicht vorhanden
ei, daß die Nation je einer Besteuerung der Nahrungsmittel oder der land-
wirthschaftlichen Erzengnisie Gehör schenken werde, und zweitens das gange
Geschrei nur ein Aushängeschild zur Verhinderung der Herabijetzung der
Landpacht und zur Hinausschiebung der landwirthschaftlichen Reformen sei,
welche beide die einzigen dem Parlament zu Gebote stebenden Abhilfsmiltel
bilden, den Wohlstand der landwirthschaftlichen Industrie zu heben und neu
zu beleben.
15 — I7. September. Der von der Landliga einberufene
„irische Nationalconvent“ tritt in Dublin zusammen. Es finden
sich ca. 1200 Delegirte ein, alles Pächter, Arbeiter, Geistliche, keine
Gutsherrn und keine Beamten, der wirkliche Ausdruck dessen, was
sich heute zum Trotz gegen England die irische Race, die irische
Nation nennt. Parnell führt den Vorsitz. Die Reden sind ohne
Ausnahme überaus leidenschaftlich, aus allen tönt der Ruf: Tren-
nung von England, eigenes Parlament, gänzliche Abschaffung des
Gutsherruthums, gar keine Pachtzinse mehr! Trok dieser dreitägigen
Saturnalien der Beredsamkeit wird die Ruhe und der Anstand auch
nicht ein einziges Mal gestört. Es ist krotzdem entschieden kein
„Pöbelparlament“, wie es die englische Presse nennt. Die Landliga
geht aus demselben jedenfalls mächtiger noch als bisher schon hervor.
Die Beschlüsse werden alle einstimmig gefaßt.
Diese Beschlüsse gliedern sich in dreizehn Puncte, die alle billere
Feindschaft und tiefen Widerwillen gegen die englische Herrschaft, die eng-
lische Regierung und das Landgesey athmen. Der erste Punct ist der schwer-
wiegendste. Er befagt: „daß der durch den Willen des irischen Volkes zu-
Schulthess, Eurov. Geschichtskalender. XXII. Bb. 28