436 Frankreich. (Mitte Jan. — Febr. 2.)
Mitte Januar. Zwischen Frankreich und Italien ist eine
entschiedene Spannung wegen Tunis eingetreten.
ie Italiener haben ihre Augen auf Tunis geworfen, und es ist dem
talieni hei Conful Maggio gelungen, den Bey ganz auf seine Seite zu
ziehen. Der Bey schickt jeinen Neffen mit einigen Begleitern zur Begrüßung
des Königs Humbert nach Palermo. Die Franzosen werden dadurch aufge-
schreckt und die französische Regierung legt es der italienischen nahe, den
Consul Maggio abzuberufen, diese autwortet aber mit dem Wunsche nach
Abberufung des frangösischen Consuls Noustan. Die ganze französische
Presse erklärt einstimmig, daß Frankreich in Tunis unter allen Umständen den
überwiegenden und entsch eidenden Einfluß haben müsse und daß es
unter keinen Umständen zugeben werde, daß sich dort ein anderer Einfluß
festsetze, der im gegebenen Momente den französischen durchkreuzen könne.
„Wer an Tunis rührt, rührt an Frankreich!“
18. Jannar. Die am 27. December v. J. von Frankreich
vorgeschlagene Lösung der griechischen Frage durch ein enropäisches
Schiedsgericht ist von Griechenland selbst verworfen worden und
wird von den übrigen Großmächten nur lau unterstützt; Frankreich
muß den Antrag fallen lassen.
20. Januar. Wiederzusammentritt beider Kammern. Die
Regierung legt demselben ein Gelbbuch über die griechische Frage
und das Budget vor. Der Senat wählt Leon Say wieder zu seinem
Präsidenten mit 170 gegen 7 Stimmen, die Kammer neuerdings und
zum dritten Mal Gambetta mit 262 von 376 Stimmen, worauf er
eine längere Rede verliest.
Die radicalen Blätter neunen sie ironisch seine „Throurede“. Und
in der That Gambetta verliest sie zur Eröffnung der Session — wie eine
Thronrede; er vertheilt darin Licht und Schatten über Vorgänge i im Land —
wie eine Thronrede; und endlich beschließt die Kammer, die Rede 6 offiziell
in allen Gemeinden anschlagen zu lassen — wie eine Throurede. Der Prä-
sident der Republik Grévy, der nie hervortritt, tritt nachgerade entschieden
hinter Gambetta zurück.
24. Januar — 2. Februar. Kammer: Erste Berathung eines
neuen Preßgesetzes.
Die „Republiaue frangaise", das Organ Gambekta's, ist mit dem Re-
sultat sehr zufrieden. „Man kann — meint sie — laut behaupten, nicht
bloß daß die Männer, ’welche die Feder führen, niemals in Frankreich ein
so liberales Regiment erwartet haben, sondern auch, daß kein anderes Land,
weder England mit seinen alten Freiheiten noch Amerika mit seiner jungen
Demokratie ein Gesetz besitzt, welches so gut wie dieses den modernen Aspi-=
rationen nach absoluter Unabhängigkeit des Gedankens entspricht.“ Von
politischen Vergehen sind uur folgende beibehalten: 1) Die Anfreizung, wenn
sie von Wirkung ist; 2) die Aufreizung der Armee, auch wenn sie keine
Folge hat; 3) die falschen Nachrichten, welche den öffentlichen Frieden ge-
stört haben; 4) die aufrührerischen Rufe; 5/ die Beleidigungen der auswär-
tigen Staatsoberhäupter und ihrer Bo otschaft rx. Art. 26 des Regierungs-
entwurfs, der Beleidigung des Präsidenten zue Republit für strafbar erklären