446 Frankreich. (Mai 8.—12.)
8. Mai. Die Negierung veröffentlicht den neuen General-
zolltarif. Alle Handelsverträge sollen gekündigt werden, um neue,
günstigere abschließen zu können.
9. Mai. Der Minister des Auswärtigen, Barth. St. Hilaire,
richtet eine Circulardepesche an die Vertreter Frankreichs im Aus-
lande, in der er die Absichten Frankreichs in Tunis näher ausein-
der setzt und sie dadurch zu beschwichtigen sucht. In Paris will
man wissen, daß der deutsche Reichskangler der französischen Regie-
rung bez. Tunis vollkommen freie Hand zugesichert habe.
12. Mai. Der französische Consul Roustan geht nach dem
Bardo, der Residenz des Bey von Tunis, und verlangt von diesem
eine Anudienz für den General Brard, welche der Bey Mittags für
Nachmittags 4 Uhr zugesteht. Bréard verliest ihm einen zehn Ar-
tikel umfassenden Vertrag, dessen Hauptbestimmung die Einsetzung
eines französischen Minifterresidenten in Tunis zur Ueberweisung und
Ausführung der Vertragsbestimmungen ist. Der VBey erbittet sich
Bedenkzeit, unterzeichnet den Vertrag um 8 Uhr und verlangt nur,
die französischen Truppen sollten Tunis nicht betreten. Das Letztere
war französischer Seils auch nicht beabsichtigt.
Der sog. Bardo-Vertrag zwischen Fran kreich und dem Bey
von Tunis lantet: „Da die Regierung der französischen Republik und die
Sr. Hoh. des Bey von Tunis die Ernenerung der Unordnungen, welche
kürzlich an den Grenzen und auf dem Küstengebiete von Tunesien vorgekom-
men, für immer verhindern wollen und ihre alten Beziehungen der Freund-
schaft und guten Nachbarschaft enger zu knüpfen wünschen, haben sie be-
schlossen, zu diesem Zweck im Interesse der beiden hohen Contrahirenden eine
Uebereinkunft (Convention) abzuschließen. In Folge dessen ernannte der
Präsident der fronzösichen Republik zu seinem D#ohtaachigten den General
Brard, der mit Sr. Hoh. dem Bey über folgende Bestimmungen überein-
gekommen ist: Art. 1. Die gegenwärtigen zwischen der franzöüischen Repu-
blik und Sr. Hoheit dem Bey von Tunis bestehenden Friedens-, Freund-
schafts= und Handelsverträge und anderen Conventionen werden ausdrücklich
bestätigt und ernenert. Art. Um der Regierung der französischen Re-
publik die Ausführung der Giabrolt die sie ergreifen muß, um den Zweck
zu erreichen, den sich die beiden contrahirenden Mächte vorgesteckt, zu er-
leichtern, gibt Se. Hoheit der Bey von Tunis seine Zustimmung dazu, daß
die französische Militärbehörde diejenigen Puncte besetze, welche sie zur Wieder-
herstellung der Ordnung und Sicherheit an den Grenzen und dem Küsten-
gebiete für nothwendig erachtet. Diese Besehung wird aufhören, wenn die
frangösischen und tunesischen Militärbehörden in gemeinschaftlicher Ueberein-
limmung erkannt haben werden, daß die Localbehörden im Stande sind, die
Aufrechterhaltung der Ordnung zu verbürgen. Art. 3. Die Negierung der
französischen Nepublik übernimmt die Verpflichtung, Sr. Hoheit dem Bey
von Tunis beständigen Schutz gegen jede Gefahr, welche die Person oder die
Dynastie Sr. Hoheit bedrohen 8 die Ruhe seiner Staaten gefährden kann,
zu gewähren. Art. 4. Die Regierung der Republik verbürgt sich für die