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genommen, nochmals abgebrochen und wieder ausgenommen, führen
aber bis zum Schluß des Jahres zu keiner Einigung.
21. August. Allgemeine Abgeordnetenwahlen in ganz Frankreich.
Das Rejultat weist einen bedeutenden Fortschrikt der Republicaner
in Bezug auf die Zahl ihrer Sitze auf. Bei den Wahlen am 14. October
1877 hatten die Conservativen über 200 Mandate erlangt, von denen freilich
später elwa 60 cassirt wurden; bei den jebigen Wahlen zählen Monarchisten
und Vonapartisten zusammen nur noch 85 Sitze, während die Republicaner
über 398 verfügen; 65 Wahlen sind nicht zu Stande gekommen und also
in 14 Tagen zu erneuern (Stichwahlen). Gambetta's Union Republicaine
ist mit 170 Sitzen allerdings als die slärkste Fraction aus den Wahlen her-
vorgegangen; doch steht die republicanische Linke, welche bisher die zahl-
reichste Gruppe gewesen, nur um 11 Stimmen hinter ihr zurück, die Linke
zählt nämlich 159 Stimmen. Das ihr zunächst stehende linke Centrum hat
41 Stimmen bewahrt, also Linke und linkes Centrum haben zusammen
200 Stimmen gegenüber den 170 der Union Republicaine; freilich wird
diese vielsach auch über die 28 Stimmen der äußersten Linken verfügen
können, so daß, wenn einerseits die Linke und das linke Centrum zusammen=
gehen und andrerseits die Union Republicaine und die äußerste Linke, sie sich
fast genau das Gleichgewicht halten würden. Man wird indessen kaum von
einem solchen Gegensahe zwischen Union und Linke ausgehen dürfen, da sie
sich in Grenzschaktirungen nahe berühren. Uebrigens ergibt die große Zahl
der Abgeordnelen der gemäßigten Linken, welche aus der Urne hervorge-
gangen, daß, wenn die Negierung mit einem festen Programm gauche répu-
blicainc hervorgetreten wäre und sich nicht im voraus an Gambetta's Frac-
tion gebunden hätte, wohl die Linke und nicht die letztere die meisten Stim-
men erlangt haben würde. Das größte Interesse hat die Belleviller Wahl
für sich in Anspruch genommen. #Gömontta wird zwar in beiden Wahl-
kreisen Belleville's gewählt, aber nur mit geringer Mehrheit, und in einem
derselben ist seine Wahl angefochten, da seine Stimmenzahl nicht die gesehich
erforderliche Mehrheit darstelle. Die Wahlen zeigen im Ganzen, namentlich
auch im südlichen Frankreich, eine sehr anticlericale Strömung.
Ende Angust. Die Nachrichten aus Tunis und Algier sind
nachgerade der Art, um sogar das Interesse für die Wahlen in den
Hintergrund zu drängen.
Thatfache ist, daß eine allgemeine Insurrection besteht und daß die
ehierung für den Augenblick fast thatlos dem Brande gegenübersteht, wel-
Bta die spärlichen Keime einer Cultur zu zerstören droht, die Frankreich
Opfern an Gut und Blut an die Nordküste Afrika's verpflanzt hat.
Das imperialistische Regime und die -wiederholten fremden Invasionen, welche
dasselbe im Gefolge hatte, haben in Frankreich einen heilsamen Schrecken
vor allen kriegerischen Unternehmungen zurückgelassen. Insbesondere der
lepte deutsch-französische Krieg, welcher die Franzosen zwei Provinzen und
zehn Milliarden gekostet, hat allenthalben ein so tiefes Friedensbedürfniß
wachgerufen, daß es heute in Frankreich für eine Regierung keine bessere
Eupfehlung gibt, als die Ueberzeugung, daß sie den Frieden erhalten wolle.
Der Abschen der Nation vor allen kriegerischen Abentenern ist so groß, daß
heute nicht einmal Gambetta es wagen dürfte, eine kriegerische Politik zu
afsichiren, ohne dabei Gefahr zu laufen, seine ganze Popularität, das Werk
einer zwölfjährigen politischen Thätigkeit, einzubüßen. Die richtige Er-
kenntniß dieser im Lande herrschenden Stimmung und die Nücsicht auf die