Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

486 Helgien. (März 10—25.) 
stimmig einen Ankrag auf Aufhebung des Artikels der Gemeinde- 
verfassung, welcher die Aufnahme von Entschädigungsbeiträgen an 
die Geistlichkeit in das Gemeindebudget vorschreibt. 
10. März. II. Kammer: genehmigt das Militärbudget. 
Dafür stimmen 57 Mitglieder, und zwar 55 von der Linken und 
2 von der Rechten, dagegen 11, und zwar 6 von der Rechten und 
5 von der Linken. Der Stimmabgabe enthalten sich 29, darunter 
3 von der Linken. 
25. März. II. Kammer: genehmigt nach langen und mit 
Leidenschaft geführten Kämpfen das 18½ Millionen betragende 
Unterrichtsbudget mit 60 liberalen gegen 40 clericale Stimmen. 
Natürlich bot das Unterrichtsbndget der HOwesition reichlichen Anlaß, 
ihre Beschwerden gegen das Schulgeseß von 1879 und deisen Ausführung 
in weitschweifigen Reden vorzubringen. Es bewegten sich diese Ausfälle 
bitteren Unmuths zumeist um Verwaltungsmaßregeln, angebliche Eingriffe 
in die Autonomie der Gemeinden, Conflicte zwischen Bürgermeistern und 
Schulinspectoren wegen Schulbauten, Ernennungen, Besoldungen u. dgl.; 
von einer Klage gegen den Unterricht an und für sich, dessen Methode und 
Richtung, wie gegen die sittlichen Resultate der neuen Ordnung hat keiner 
der Gegner etwas verlauten lassen. Gleichzeitig mit dem Beginn der Ver- 
handlung hatte der Führer der Rechten, Hr. Malou, eine ausführliche, von 
ihm mit vieler Mühe ausammengeschte stalistische Darlegung der am 1. Jan 
I. J. vorliegenden Resultate des neuen Primärschulgesetzes erscheinen ioseen. 
von der er sich einen erschütternden Eindruck auf die Urheber desselben ver- 
sprach. Sie betrifft ganz besonders die Schulbevölkerung bezüglich ihrer 
Vertheilung in die officiellen und die im Gegensaß zu diesen von Katholiken 
errichteten sogenannten freien Schulen. Es erhellt namentlich daraus, daß 
auf die lehteren 63 ½ Proc. der gesammten Schulbevölkerung enkfallen und 
diese Zahl in der Provinz Antwerpen auf 77, in Ostflandern auf 81, in 
Westflandern und Limburg gar auf 84 sich erhebt. Es haben diese Ziffern 
gewiß eine hohe Bedeutung, und sie sind auch geeignet, dem Uebermuth. der 
Liberalen vorzubeugen; aber es ist hiebei zu bedenken erstens, daß die Auf- 
stellung derselben von allen Seiten als unrichtig und auf unsicherer Grund- 
lage beruhend beanslandet wird; ferner, daß eine so durchgreifende Reform 
wie die Säcularisirung der Gellziche sich nicht schon nach einem Jahr als 
dem Bedürfniß und dem Gewissen der Bevölkerungsmehrheit entsprechend 
bewähren kann; endlich, daß allem Anschein nach die Mittel, welche in der 
ersten Aufwallung der empörten Katholiken zur Errichtung von freien 
Schulen zusammengebracht werden konnten, allmälig zusammenschmelzen wer- 
den, und daß die Wagschale zu Gunsten der Staatsanstalten von Jahr zu 
Jahr gewichtiger werden wird. Wenn auch der am Ruder befindliche Libe- 
ralismus noch lange nicht am Ziel seiner Wünsche sich befindet, so läßt sich 
doch schon nach den von Malon aufgestellten Zahlen ein höchst erfreuliches 
Resultat der durch das Geseß von 1879 hervorgerufenen Schulagitation nach- 
weisen. Malon berechnet die Gesammtbevölkerung der Primärschulen (Be- 
wahrschulen inbegriffen) am 31. De 1880 auf 913,881 Kinder; die offi- 
ciellen Erhebungen gfür den 31. Dec. 1878 geben 81l, 780. Daraus ist zu 
entnehmen, daß innerhalb der zwei lekten SLahre, während gewaltiger poli- 
lischer Stürme, die schllbeschelde Jugend sich um 102,101 Köpfe vermehrt 
 
	        
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