Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

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werden soll; doch hat die Liga unumwunden die Aufhebung des Census auf 
ihr Programm geseht. Da nun die von der Verfassung festgesetzten Census= 
bedingungen schon seit 1848 auf ihr Minimum gebracht sind, läßt sich keine 
Vermehrung der Wählerzahl für die Volksvertretung erwarten, ohne daß 
der betreffende Artikel der Constitution abgeändert wird, wozu bis jetzt noch 
keine Mehrheit sich willig gezeigt hat. Dieser Widerstand gegen die Ver- 
fassungsrevision soll durch die Liga endlich gebrochen werden, damit Belgien, 
„das 1831 hinsichtlich der Betheiligung seiner Staatsbürger an den öffent- 
lichen Angelegenheiten obenan stand, und nunmehr nur noch von Russen 
und Türken beneidet werden dürste, das ihm gebührende und von ihm wohl- 
verdiente Maß politischer Freiheit nicht länger vorenthalten werde.“ 
— December. Zwischen belgischen und französischen Publi- 
cisten hat sich ein Streit über Luxemburg erhoben, der, obgleich an- 
scheinend nur historisch, doch von actuellem Interesfe ist. 
Ein „hervorragender belgischer Staatsmann“ d. h. Hr. Freère Orban 
selbst, äußert sich darüber unter dem Titel: La Belgiquc eile Grand-Duché 
de Luxembourg en 1867. Bekanntlich wurde damals Luxemburgs Neutra- 
lität unter die Collectivgarantie der Mächte gestellt. Während der Ver- 
handlungen der Londoner Conferenz traten aber die franzjösischen Annexions- 
gelüste auf Belgien mit großer Schärfe hervor. Dronyn de Lhuys wollte 
über Mainz und Coblenz nach Brüssel und Luxemburg gelangen, und Herr 
de Moustier erklärte mit Bezug hierauf dem Fürsten Gortschakoff. daß das 
Kaiserreich deutsches Gebiet damit nicht erstrebe. Benedetti seinerseits schrieb: 
„Einmal in Luxemburg, sind wir dann auch bald in Brüssel.“ Das hat 
man auch heute noch in Belgien nicht vergessen, und aus den Worten des 
belgischen Staatsmannes ist deutlich herauszuhören, daß man sich des 
Gleichen von Paris her auch heute noch versieht.