24 Das deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 15.)
allgemeine Unfallversicherung erseyt wird. Während zur Zeit den
in gewissen Betrieben beschäftigten Arbeitern bezw. ihren Angehorigen nur
ein Anspruch auf vollständige Entschädigung zusteht, welcher durch die ihn
bedingenden Voraussehungen zu einem in seiner Realisirung höchst unsicheren
wird, soll in Zukunft allen gewerblichen Arbeitern, welche nach der
Art ihres Arbeitsverhältnisses in diese Regelung eingeschlossen werden löonen
eine in jedem Falle sichere Amvartschast darauf gewährt werden, daß beim
Verluste der Erwerbsfähigkeit durch Unfall ihnen selbst eine nach ihrem
bisherigen Erwerbe billig zu bemessende Versorgung oder ihren Hinter-
bliebenen eine gleicherweise billig bemessene Unterstühung zu Theil wird.
Zu dem Ende soll die Versicherung alle beim Betriebe vorkommenden Un-
fälle umfassen, ohne Unterschied, ob sie in einem Verschulden des Unter-
nehmers oder seiner Beauflragten oder in dem eigenen Verhalten des Ver-
unglückten oder in zufälligen, Niemanden zur Last zu legenden Umständen
ihren Grund haben. Nur wenn von diesen Unterschieden gänzlich abgesehen
wird, kann dem Arbeiter durch die Versicherung die volle Sicherheit ge-
geben werden, daß er durch einen Unfall mit jeiner Erwerbsfähigkeit nicht
auch seinen Unterhalt verliert, und daß er bei seinem durch Unfall herbei-
geführten Tode seine Angehörigen nicht hilflos zurückläßt. Würden von
der Versicherung auch nur diejenigen Unfälle esgeschlosen. welche auf ein
Versehen oder eine Ungeschicklichkeit des Arbeilers oder auf einen Zufall
zurückzuführen sind, so bliebe der Arbeiter der Gefahr ausgeseht, in jedem
einzelnen Falle den ihm aus der Versicherung zustehenden Anspruch bestritten
und die Behauptung desselben von einem Rechtsstreite abhängig zu sehen,
dessen Ausgang selbst dann, wenn ihn nicht die Beweislast träfe, in vielen
Fällen sehr ungewiß sein würde.
„Wenn hiernach, um zu einer befriedigenden Regelung zu gelangen,
alle unsälle ohne Ausnahme in die Versicherung eingeschlossen werden müssen,
so kann es andererseits nicht als Erforderniß einer befriedigenden Regelung
hingestellt werden, daß durch die Versicherung der volle Ersatze aller durch
den Unfall herbeigeführten Vermögensnachtheile gedeckt werde. Der Anspruch
auf volle, durch unbeschränktes richterliches Urtheil festzustellende Entschädi-
gung, welche neben dem Ersatze der durch die Heilung des Verletzten oder
durch die Beerdigung des Getödteten entstehenden Kosten die volle Höhe des
bisherigen Arbeitsverdienstes des Verunglückten erreichen kann, wird selbst
bei den jetzigen Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs nicht als der
Gerechtigkeit und Uilligkeit entsprechend angesehen werden können. Wie es
als selbstverständlich gilt, daß den im öffentlichen Dienste slehenden Per-
sonen, welche dienstuntüchtig werden, selbst wenn Dieß in Folge der mit
den Dienstverrichtungen verbundenen Gefahren geschieht, als Pension nicht
das volle bisherige Gehalt, sondern nur ein Theil desselben gewährt wird,
so kann es auch nicht als eine Forderung der Gerechtigkeit gelten, daß dem
im Privatdienste stehenden Arbeiter, welcher in Folge der mit jeinem Berufe
verbundenen Gefahren die Erwerbsfähigkeit einbüßt, eine dem vollen bis-
herigen Berdienste gleichkommende Rente zu Theil werde. Der Billigkeit
und dem Bedürinisse wird vielmehr genügt werden, wenn ihm der aus-
reichende Unterhalt nach dem Maße seiner bisherigen wirkhschaftlichen Lage
gesichert wird: wobei namentlich auch zu beachten ist, daß aus dem arbeits-
losen Einkommen, welches ihm in der Entschädigung zu Theil wird, die-
jenigen besonderen Ausgaben, welche er bis dahin zur Erhaltung und Nut=
barmachung seiner Arbeitskraft aus seinem Arbeitsverdienste zu bestreilen
hatte, als Arbeitskleidung, Arbeitsgeräth u. dgl., nicht mehr zu bestreiten
sind. — Gegen eine solche Begrenzung der Entschädigung kann auch nicht
eingewendet werden, daß dadurch die Lage des UArbeiters in denjenigen die