Das beuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 15.) 27
„Für die Frage, welcher Verband für diese Leistung als Träger
der ösföllichen Armenpflege in Anspruch zu nehmen sei, kommt in Betkracht,
daß die Pflicht der Fürsorge für Hilfsbedürftige ihrer Entstehung und Natur
nach nicht etwa ohne Weiteres einer bestimmten, zufällig einen örllich be-
greuzten Raum bewohnenden Gemeinschaft obliegt. Der Staat ist es
vielmehr, welcher durch seine Gesegebung das Recht des Armen auf
Unterstüßung schaffr und Näg.. und auch die lweneindewee Verlheilung der
daraus erwachsenden Last beruht lediglich auf staallicher Anordnung, krast
welcher die Armenlast nach Grundsähen der Zweckmäßigkeit und Billigkeit
auf Provinzen, Kreise oder Gemeinden vertheilt oder auch direkt vom Staate
übernommen werden kann. Auch die direkte Uebernahme der Armenulast
liegt an sich nicht außerhalb der# Leistungen, welche vom Staate erwartet
werden dürfen. Es wird daher den eingelnen Bundesstaaten zu über-
lassen sein, die Beiträge, welche nach Reichsgesetz im Wege der staatlichen
Armenpflege ausgebracht werden sollen, entweder elbft zu leisten, oder
auf bestehende oder neu zu bildende Verbände zu vertheilen.
Nur insoweit wird das Reichsgesey nähere Bestimmung zu treffen haben,
als Fürsorge zu treffen i ist, daß nicht ungeeignete oder leistungsun-
fähige Verbände zu Trägern der hier in Frage stehenden Verpflichtung
gemacht werden. Dieß würde aber geschehen, wenn die Verpflichtung, die
Prämierbeiträge zu leisten, den Ortsarmenverbänden auferlegt werden
sollte. Die Heranziehung desjenigen Orlsarmenverbandes, in welchem der
Arheiter, für den der Prämienbeilrag zu leisten ist, seinen uteriibhnnger
wohnsitz hat, verbietet sich schon. dadurch, daß es undurchführbar sein würde,
für alle in einem Unternehmen beschäftigten Arbeiter, von denen vielleicht
die Mehrzahl ihren Unterstüßungswohnsitz nicht am Sitze des Unternehmens,
sondern in anderen zahlreichen und weitentfernten Gemeinden haben, die
Prämienbeiträge von den einzelnen als Unterstühungswohnsitz verpflichtelen
Ortsarmenverbänden einzuziehen. Es gibt namentlich Taufende von Ar-
beitern, welche in gewissen Zeiten des Jahres in fern von ihrer Heimath
belegenen, periodisch zahlreicher Arbeitskräfte bedürfenden Betrieben für eine
Zeit lang Beschäftigung finden und auch nach Beendigung derselben nicht
in ihre Heimath zurückkehren, sondern bis zum Beginn der neuen Betriebs-
periode anderswo ihren Unterhalt zu erwerben suchen. Statl des Orts-
armenverbandes des ünterstühungswohnsihes denjenigen beranzufiehen, in
welchem der Betrieb feinen Sitz hat, ist deßhalb unmöglich, weil es zahl-
reiche kleine Gemeinden von einigen hundert Seelen gibt, innerhalb deren
sich große industrielle Betriebsstätten befinden, welche Tausende von Arbeitern
beschäftigen, von denen indessen nur ein unbedeutender Bruchtheil der Ge-
meinde der Betriebsstätte angehört, während der weitans größere Theil in
anderen benachbarten Gemeinden wohnt. In folchen Fällen würden die
Ortsarmenverbände der Betriebsslätte schlechterdings außer Stande sein, die
Prämienbeiträge für die innerhalb ihrer Grenzen beschäftigten Arbeiter auf-
sjubringen. Dieselben Bedenken sprechen auch gegen die Heranziehung der
Ortsarmenverbände, in welchen die versicherten Arbeiter zur Zeit ihren
Wohnsitz haben; denn es gibt in der Nähe großer industriereicher Städte
und in der Umgebung einzelner Anlagen des Bergbaues und anderer Groß-=
industrien viele Gemeinden, deren Einwohnerschaft zum überwiegenden Theile
aus den in jenen beschäftigten Arbeitern besteht, und deren Herangiehung
zur Pramsenzahlung gerade die Belastung derjenigen zur Folge haben würde,
welche das Gesetz um ihrer Leistungsunfähigkeit willen und von Beiträgen
befreit wissen will. Es ist daher unerläßlich, zu Trägern der fraglichen
Last größere Verbände zu machen, innerhalb deren die Ungleichheit, mit
welcher die Nemanat. schon bisher die einzelnen Gemeinden trifft und bei