Aebersicht der polilischen Eulwicklung des Jahres 1881. 553
lichst zu beruhigen. Seine Regierung wiederholte vor den Kammern,
daß Frankreich nicht daran denke, dem Bey von Tunis weder sein
Gebiet, noch seinen Thron zu nehmen; aber es habe dauerhafte Unter-
pfänder nöthig gehabt zu seiner eigenen Sicherheit und Vorsichts-
maßregeln für diese, die ihm der Bey durch seine eigenen Streit-
kräfte zu gewähren und zu verbürgen außer Stande gewesen sei.
Weiter dachte sie für einmal in der That nicht zu gehen, als durch-
aus nothwendig wäre. Der Generalconsul Roustan wurde zum fran-
zösischen Ministerresidenken in Tunis ernannt und übernahm als
solcher sofort die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten des Landes
und da der indolente Bey sich ziemlich rasch in das Unvermeidliche
fügte und diejenigen Persönlichkeiten seiner Umgebung, die ihn bisher
für eine Anlehnung an Italien und gegen Frankreich beeinflußt
hatten, aus derselben entfernte, der Premierminister Mustapha aber
seinerseits alles that, was man von ihm nur erwarten oder ver-
langen mochte, um in seiner Stellung zu bleiben, begann Frankreich
schon Mitte Juni den größeren Theil seiner Truppen aus der Re-
gentschaft zurückzuziehen, um die Mächte nach Kräften zu beruhigen.
Es zeigte sich jedoch bald, daß die Maßregel eine verfrühte und ein
entschiedener Mißgriff war. In Tunis herrschte seit dem Bardo-
Vertrag eine dumpse Gährung gegen die Ungläubigen, und doch
hatten die Franzosen bisher nur den Norden des Landes besetzt, in
Algerien war der ganze Süden, namentlich aber die Provinz Oran
in voller Insurrection, was indeß die dortigen Behörden möglichst
zu vertuschen suchten, und nach Tripolis hatte der Sultan frische
Truppen geschickt und schien daraus einen Stützpunct für alle Feind-
seligkeiten gegen die Franzosen in Nordafrica machen zu wollen.
Die ohnehin grollenden Italiener wurden nur noch mehr erbittert,
als bei Gelegenheit der Rückkehr der ersten französischen Truppen
aus Tunis nach Marseille ihre Angehörigen, die sich in dieser Stadt
zu Tausenden theils niedergelassen hatten, theils als Arbeiter aller
Art aufhielten, von der französischen Bevölkerung verhöhnt und miß-
handelt wurden, und die Spanier beklagten sich schwer darüber, daß
den Colonisten ihrer Nationalität in Oran ihre kostbaren Anpflanz=
ungen durch die Araber zerstört worden seien, ohne daß die Fran-
zosen ihnen den erforderlichen und möglichen Schutz und Beistand
gewährt hätten, und verlangten dafür erhebliche Entschädigungs-
summen. So war die Lage der Frangosen in Nordafrica schon Ende
Juni eine äußerst kritische und verschlimmerte sich von Tage zu