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zu leiten, auf denen ich die Verantworllichkeit für die Gesammtleitung zu
tragen bereit wäre. Ew. 2.. ersuche ich ganz ergebenst von vorstehenden An-
deutungen auch Sr. Majestät gelegentlich sprechen zu wollen, namentlich um
die von der „Kreuzzeitung“ gebrachte Lüge zu widerlegen, als ob ich die
Entlassung von Hofbeamten Sr. Majestät je zugemuthet hätte. Ich habe
Feinde am Hofe, aber deßhalb werbe aich die Ehrerbielung gegen meinen
allergnädigsten Herrn nicht verletzen. Die Hauptsache für mich ist, daß ich
im Staatsministerium Collegen finde, welche die Maßregeln, die für die
Sicherheit und die Interessen Preußens und des Neiches nothwendig sind,
energisch und freiwillig fördern. Diese Börderung durch Bitten und Ueber-
reden zu gewinnen, dazu reichen meine Kräfte nicht aus, und wenn ich Be-
schlüsse in dem angestrebten Sinne erreiche, so- unterbleibt die Ausführung.
Mit meinem Namen aber für das Gegentheil meiner Bestrebungen öffenllich
einzustehen, kann von mir nicht verlangt werden“ An demselben Tage
schreibt der Reichskanzler in einem zweiten Briese: „Ich gebe Ihnen
das beigehende Material der Auffassung meiner Zukunft hin, indem ich von
Ihrer freundschaftlichen Gesinnung hoffe, daß Sie es mit Vorsicht verwerthen
werden. Unter Vorsicht meine ich, daß es mir nicht lieb sein würde, die
Sache zu einer Krisis, etwa mit Camphausens Abschiedsgesuch, zu treiben:
ich würde es überhaupt lieber sehen, wenn die Verwirklichung der gewünschten
Reformen von den jebigen Collegen in Angriff genommen werden würde;
mir liegt nichts am Personenwechsel, sondern an der Sache; wenn diese aber
nicht rusführbar in so will ich gehen.“ Ein dritter Brief, datirt Varzin,
den 1877. lantet folgendermaßen: „Mit verbindlichstem Danke
8 5 Ihre Mitthetlunqen vomlsunleererhaltethImbctewer-
1 den Fluch der guten That daran erkennen, daß sie fortdauernde Bitten
den Zumuthungen gebiert. Camphausen klagt über die Last des Vice, ohne
das Beneficium des Einflusses; hat denn nicht ein preußischer Finanzminister
an sich mehr Einfluß als ein Ministerpräsident: Leblerer hat die Last der
Geschäfte und in keinem Ressort ektwas zu sagen, nur zu bitten — kein An-
stellungsrecht — kaum für Canzleidiener. Einfluß habe ich höchstens im
Auslande, wo Camphaufen ihn nicht erstrebt; wenn lehterer zugibt, das er
sich durch sieben Jahre meines Vertrauens erfreut habe, so ist das richtig;
ich habe das seinige nicht immer besessen. In Bezug auf Falk bin ich ganz
derselben Ansicht wie Canphausen, aber es bleibt immer eine Calamität,
wenn Falk nervös gemacht wird. Ein neuer Handelsminister wird kaum
nöthig sein, wenn man das HRrsfort tbeilt und zunächst ein selbständiges
preußisches Eisenbahnministerium schafft. Der kritische Punct der Gegen-
wart eit# de„ Fage d de Giuangrogramms Da ist es eine vollständige Um-
kehr der Begriffe, w der Finanzminister von dem Präsidenten ein Pro-
geon# für das Ginanzressort erwartet, nach dessen Prüfung er sich die Kritik
vorbehalten will; umgekehrt liegt die positive Leistung, die Herstellung eines
discutirbaren Programms, dem Ressortminister ob. Ich bin als Präsident
nicht berufen, Finanzprogramme zu erfinden oder zu vertreten, sondern nur
dafür verantwortlich, daß der Posten des Finanzministers in einer der Ge-
sammtpolitik des Ministeriums entsprechenden Weise besetzt sei und versehen
werde. Der Beruf, Finanzprogramme selbst zu entwerfen und auf ihre Ans-
führung zu verzichten oder zurückzutreten, wenn der Finanzminister ihnen
nicht zustimmt, liegt mir nicht ob. Die preußischen Minister fühlen sich zu
gut, um selbst im Bundesrathe mitzuarbeiten; die Präsenglisten Lgeben ein
betrübendes Zeugniß dafür; sie lassen lieber die Reichseinrichtung in Verfall
gerathen und ziehen die „schöne und unabhängige Stellung“ eines preußi-
schen Ressortministers so ausschließlich in Betracht, daß die nationale deutsche
Sache daneben nicht zur Erwägung kommt. Warum geht es mit der Doppel-
Schulthest, Europ. Geschichtskalender. XXI. 89. 8