Mebersicht der polilischen Eutwichlung des Jahres 1881. 609
Entwickelung des Handels und der Industrie Deutschlands alle die
günstigen Folgen haben wird, die sich der Reichskanzler zu ver-
sprechen scheint, kann erst die Zukunft lehren. Um sie zu erzielen,
sebte der Reichskanzler gegen Hamburg allerdings eine Art mora-
lischer Pression ins Werk, die nicht ohne Grund in den letzten Jahren
vielfach Anstoß erregt hatte. Aber ebenso wenig läßt sich läugnen,
daß die bisherige Stellung Hamburgs, ein Rest der früheren so viel
beklagten Zersplitterung Deutschlands, nachgerade doch ganz und
gar unhaltbar geworden war und daß die Unterstützung, die Ham-
burg in feinem Widerstreben in ziemlich ausgedehntem Maße im
Reiche fand, vielfach den Eindruck einer Opposition bloß um der
Opposikion willen oder einer persönlichen Opposition gegen den
Reichskanzler machte, die so weit durchaus nicht gerechtfertigt war.
Hamburg kann mit der Art, wie es sich schließlich mit dem Reichs-
kanzler verständigte, wohl zufrieden sein und ist es auch allem An-
scheine nach. In Preußen ging die im vorigen Jahre begonnene
Verstaatlichung der Eisenbahnen weiter und einem vorläufigen Ab-#
schluß entgegen. Ueber die finanziellen Folgen der großen Maßregel
Die
Eisen-
huver-
slaat ·
für Preußen, für die größeren Einzelstaaten und für das Reich lichung
selbst wäre jedes Urtheil vorerst noch verfrüht. Der Kulturkampfprein.
ging im Jahre 1881 in Preußen sichtlich seinem Ende entgegen,
Der
nicht zum Vortheile des Staats. Hätte der Staat seinerseits fest- utu-
gehalten, so hätte die Kirche mit der Zeit ohne allen Zweifel nach-
geben und zwar vollständig nachgeben müssen. Aber der Staat er-
trug die Art von Interdict, welches Rom als seine Waffe auf Preußen
legte, und die steigende Opposition der ultramontanen Partei zu-
sammen auf die Dauer nicht. Er begann Concessionen zu machen,
ohne sie an Bedingungen zu knüpfen, und damit hatte die Curie
principiell gewonnenes Spiel. Und sie scheint entschlossen, die Lage
auch ganz gehörig auszunützen. Die Versuche und Bemühungen der
preußischen Regierung, mit dem Papste felbst perfönlich ein wenig-
stens halbwegs befriedigendes Abkommen zu treffen und auf diese
Weise das ultramontane Centrum und seine Opposition lahm zu
legen, werden kaum zu irgendwie erheblichen Resultaten führen.
Der Staat wird Schritt für Schritt thatsächlich nachgeben und im
Ganzen ziemlich vollständig nachgeben müssen, wenn es auch dem
Reichskanzler gelingen sollte, über ein lediglich thatsächliches Nach-
geben nicht hinauszugehen, ein unzweifelhaftes, principielles Nach-
geben dagegen und damit den offenen Gang nach Canossa, wozu ihn