Graf
Taasse.
612 Nebersicht der polilischen Enlwicklung bes Jahres 1881.
daß ein überwiegend sflavisches und föderalistisch organisirtes Oester-
reich dieselbe Stellung in Europa einnehme und behaupte, die der
überwiegend deutsche und mehr oder weniger einheitliche Kaiserstaat
bisher eingenommen hat. Wer sich darüber Illusionen hingibt,
thut es zu seinem eigenen Schaden.
Im Grunde setzte das Cabinet Taaffe, gestützt auf die kleine
flavisch-föderalistische Majorität des Reichsraths, im Jahre 1881
lediglich das Werk fort, welches es im Jahre zuvor gegen das bis-
herige Uebergewicht des deutschen Elementes in Oesterreich begonnen
hatte, ohne daß dabei wesentlich neue Erscheinungen zu Tage ge-
treten wären. Die anfängliche Fiction des Grafen Taaffe, daß er
über den Parteien stehe, stellte sich dabei im Jahre 1881 als das
heraus, was sie war, eben als eine bloße Fiction; er mußte sie auch
allmälig offen fallen lassen und unumwunden eingestehen, daß er
sich auf die Rechte d. h. auf die slavisch-föderalistische Majorität
des Reichsraths „stütze“. Auch das war übrigens noch wenigstens
eine halbe Fiction: er stützte sich nicht, mehr oder weniger selbständig
und uUnabhängig, auf sie, sondern er war vielmehr ganz und gar in
ihrer Hand, er wähnte sie zu führen, aber in Wahrheit wurde er
von ihr geführt. Das Einzige, was er wirklich vermochte und
worin sie mit ihm zu rechnen sich gezwungen sah, war, daß er ihre
Action ermäßigte und die Umwandlung des Staats in einen über-
wiegend flavischen und wesentlich föderalistisch gestalteten verlang-
samte. Aber diesem Ziele selbst geht Oesterreich unter dem Grafen
Taasfe mit wenn auch langsamen doch sichern Schritten entgegen
und ist ihm im Jahre 1881 schon sehr nahe gekommen. Bleibt
Taaffe am Ruder und hält Oesterreich die unter und mit ihm be-
tretene Bahn — und es hat nicht den Anschein, daß das nicht der
Fall sein sollte — auch ferner ein, so scheint sein Schicksal definitiv
besiegelt. Und wenn er auch mehr geführt wird als führt, so wird
die Verantwortlichkeit dafür vor der Geschichte doch zunächst auf
dem Grafen Taaffe ruhen. Biel Dank hat er wohl selbst von denen
nicht zu gewärtigen, in deren Interesse er sich abmüht. Und gerade
rosig ist seine Lage inzwischen auch nicht. Die ganze Session des
Reichsraths war in der Nähe besehen Ein fortlaufender Schacher
zwischen seiner Regierung und seiner Majorität um Concessionen
bald an diese und bald an jene Fraction, die er absolut nicht ver-
weigern konnte, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, sich plötzlich
in die Minorität versetzt zu sehen. So verlangten die Czechen im