614 Hebersicht der polilischen Entwichlung des Jahres 1881.
nischen Wähler auswies, aber von der Majorität der Rechten doch
genehmigt wurde; dahin drei Wahlen im oberösterreichischen Groß-
grundbesitze, welche nur auf Grund einer ad hoc gemachten, vom
obersten Gerichtshof für rechtlich ungültig erklärten Wählerliste
möglich waren, die aber die Genehmigung der Mehrheit des
Reichsraths doch erhielten; dahin endlich und namentlich der An-
trag, den Wahlkörper der böhmischen Großgrundbesitzer, in dem die
Majorität der deutschen und verfassungstreuen Partei unter der
Führung des Fürsten Carlos Auersperg gesichert ist, zu zerschlagen
und in sechs kleinere so zu zerlegen, daß den Feudalen und Czechen
die Majorität gesichert ist, was nebenbei auch dazu dienen kann,
den bisherigen böhmischen Landtag, in dem das deutsche Element
das Uebergewicht hat, in die Luft zu sprengen und im Sinne der
Czechen zu „ernewern". Das übrige wird wohl die Verwaltung und
ihr Einfluß auf die Wähler thun, die Verwaltung, die immer mehr
von den deutschen und verfassungstreuen Elementen gereinigt und
im Sinne des Regime Taaffe umgebildet wird. Der bisherige öster-
reichische Staatsgedanke muß dem Slavismus und dem Föderalis-
mus weichen. Die liberale und verfassungstreue Minorität des
Reichsraths kämpft zwar gegen diese verhängnißvolle Umwandlung
mannhaft an und hat sich im Jahre 1881 durch das Aufgeben des
bisherigen nur schädlichen Fractionswesens fester geschlossen; aber
ihr schließliches Unterliegen scheint kaum mehr abwendbar, wenn
wenigstens nicht ganz außerordentliche Ereignisse dazwischen treten
sollten, die sich nicht voraussehen lassen und kaum denkbar scheinen.
Inzwischen ist die Lage der Deutschen in den sprachlich gemischten
Gegenden eine vielfach gedrückte, zum Theil geradezu unwürdige,
namentlich in Böhmen. In Prag, das noch vor hundert Jahren
eine ganz deutsche Stadt war, in dem aber jetzt die Deutschen nur
noch eine Minderheit bilden, welcher gegenüber die Mehrheit rund-
weg erklärt, ein Schillermonument, das beabsichtigt wurde, „nicht
dulden zu wollen“, wurden deutsche Studenten ohne die allermindeste
Provocation wiederholt von czechischen Studenten und vom czechischen
Pöbel auf's ärgste mißhandelt und als die Vertrauensmänner der
deutschen Partei und die deutschen Landtags= und Reichstagsabge-
ordneten aus Böhmen und anderen deutschen Kronländern gegen
solche Vergewaltigung, wozu sie wohl mehr als Grund genug hatten,
in Prag und in Wien energischen Protest erhoben, wurden alle
deutschen Blätter Prags und Wiens, die den Protest veröffentlichten,