616 Mebersicht der polilischen Enlwichlung des Jahres 1881.
zur Zeit noch bestehende politische und wirthschaftliche Band, das
Ungarn mit Oesterreich verknüpst, ganz zu lösen und durch eine
reine Personalunion zu ersetzen, besteht und sichtlich Fortschritte
macht. Was aber diese Tendenz, wenn sie je zur vollendeten
Thatsache werden sollte, für das europäische Gewicht des Kaiser-
staats, dessen gesammte Militärmacht zur Zeit noch in Einer Hand
liegt, bedeuten würde, ist unschwer zu erkennen.
Vosnien Die Pläne der maßgebenden Kreise auf die Balkanhalbinsel
Pnlene blieben mitsammt Bosnien und der Herzegowina im Jahre 1881
wina. in der Schwebe; die Idee über Mitrowitza hinaus und bis nach
Salonichi hinunter mußten vorerst gänzlich bei Seite gelegt und
sogar gelegentlich geläugnet werden. Und doch hat die Occupation
und hätte selbst die Annexion jener beiden türkischen Provinzen nur
unter dieser Bedingung oder Voraussicht einen Sinn. Denn an
sich haben dieselben für Oesterreich = Ungarn doch nur einen sehr
geringen Werth; jedenfalls kosten sie viel mehr als sie werth sind.
Trotz der großen Kosten aber hat die Organisirung und Assimilirung
der beiden bisher ganz verwahrlosten Provinzen bis jetzt nur sehr
geringe Fortschritte gemacht, so daß dieses Werk des Grafen
Andrassy gar keiner Seite Befriedigung gewährt. Ueberhaupt ist
die Idee, dem griechisch-orthodoxen Rußland ein slavisch-katholisches
an die Seite oder entgegen zu stellen, doch von fehr problematischem
Werthe trotz des großen slavisch-katholischen Pilgerzugs nach Rom
und zu den Füßen des Papstes, der unter Führung des kroatischen
Bischofs Stroßmayr im J. 1881 in Seene gesetzt wurde; unter allen
Umständen bedürfte es dazu eines ganz anderen Staatsmannes als der
Graf Taaffe ist, der nur ein Uebergangsstadium bezeichnet, der mit dem
Momente, wo er an dem von ihm ins Auge gefaßten Ziel ange-
kommen sein wird, auch wird abtreten müssen und dem die Geschichte
kaum ein sehr rühmliches Blatt vorbehalten hat. Wie unsicher der
Besitz der Reichslande für Oesterreich-Ungarn noch immer ist, zeigte
sich am Schlusse des Jahres, wo in Süddalmatien, in der Crivocie,
ein Aufstand ausbrach, um die geforderte Recrutirung neuerdings
abzuwehren, und dieser Aufstand alsbald auch die Herzegowina
ergriff und selbst nach Bosnien hinüberzüngelte, so daß Oesterreich
alle Mühe hat, ihn nur niederzuschlagen und nur seine nackte
Autorität in diesen unwirthlichen Gegenden und über diese halb-
barbarischen Bevölkerungen wieder herzustellen.
Die einzige Lichtseite, die das Bild Oesterreich--Ungarus im