Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

Das deuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 21—24.) 37 
petenzgesetz in 3. Lesung vorwiegend nach den Beschlüssen der 2. 
Lesung in Schlußabstimmung mit großer Mehrheit. 
21. Januar. (Bayern.) Das extrem-ultramontane „Bayer. 
Vaterland“ des Dr. Sigl erscheint an diesem Tage, an welchem die 
Versailler Verträge von den bayerischen Abgeordneten genehmigt 
worden sind, mit einem Trauerrande. Die Demonstration erregt 
indeß nur allgemeine Heiterkeit. 
22. Januar. (Württemberg.) II. Kammer: beschließt 
gegenüber dem Antrage, daß die auf die Etatsjahre 1881/82 und 
1882.83 enthaltenden Tilgungsraten der Eisenbahnschuld durch 
ein Staatsanlehen zu decken seien, soweit sich nicht beim Abschlusse 
des Etats andere Deckungsmittel ergeben, auf den Antrag der Re- 
gierung mit 66 gegen 65 Stimmen, daß, was die alten Schulden 
betrifft, es bei den bisherigen jährlichen Abtragungen bleiben soll, 
daß dagegen bei künftigen neuen Schulden auch ein anderer Til- 
gungsplan gesetzlich vereinbart werden könne, mit dem Zusatze je- 
doch, daß von etwaigen Etatsüberschüssen jedenfalls die Hälfte zu 
Tilgung der Gesammtstaatsschuld verwendet werden müsse. 
Der Beschluß erfolgt erst nach einem harten Kampfe zwischen den 
Anhängern der alten und neuen Tilgungsmethode. Namentlich empsiehlt 
Mohl, lieber alle Stenern um 10 Proc. zu erhöhen, als jene Neuerung 
einzuführen, wobei er sich die drastische Bemerkung erlaubt: daß man jeßt 
das Princip annehmen wolle, die Defizite oder gar die Tilgungsquoten der 
Schuld durch Aufnahme neuer Schulden zu decken, das gehe doch über alle 
Begriffe einer umpenwirthschaft. wofür ihm vom Präsidenten eine Rüge 
ertheilt wird. — Das kleine Württemberg hat eine Staatsschuld von 
410 Millionen Mark, wie bekannt hauptsächlich infolge des allzu reichlichen 
Eisenbahnbaues, der dieses zumeist ackerbautreibende Land mit einem Schienen- 
netz wie für ein westfälisches Industrieland überzogen hat. 368 Millionen 
von jenen 410 kommen allein auf die Eisenbahnschuld. Wären die Abge- 
ordneten beim Bewilligen der Eisenbahnbauten, namentlich unter dem 
Ministerium Varubüler, ebenso bedenklich gewesen wie heute, so hätten sie 
sich den jetzigen schweren Entschluß ersparen können. 
24. Jannar. (Preußen.) Abg.-Haus: weist den Nachtrags- 
etat für 1881/82 an die Budgetcommission. 
Gegenüber dem Abg. Rickert, welcher die beabsichtigte Einführung 
einer zweijährigen Etatsperiode im Neiche für Preußen als unausführbar 
erklärt, bemerkt der Finanzminister: Auch wenn im Reiche eine zwei- 
jährige Etatsperiode eingeführt würde, erschiene es noch fraglich, ob dieß 
auch für Preußen nothwendig wäre. Windthorst erklärt so lange Gegner 
welilhriger Etatsperioden zu sein, als der Culturkampf dauere. Der 
Finanzminister erläutert seine Erklärung dahin, daß er nur sagen wollte: 
Falls im Reiche zweijährige Etatsperioden eingeführt würden, würde es sich 
darum handeln, zu prüfen, wie sich diefelbe Einrichtung für Preußen ein- 
führen lasse. Die Regierung könne nicht mit einer fertigen Vorlage kommen,
	        
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