38 Ha deuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 25).
sondern die Regelung der Angelegenheit müsse dem gegeuseitigen Einver-
nehmen der Negierung und der Volksvertretung überlassen bleiben
25. Januar. (Deutsches Reich.) Die sog. Staatssozialisten
Körner und Finn erlassen das Programm eines sozialen Arbeiter-
vereins, in dem sie folgende Forderungen aufstellen:
„Vom Staate resp. dem Reiche als sittlichen Gesellschaftsbande fordert
der sociale Arbeiter- Verein: 1) Errichtung eines Arbeitsamtes nach Analogie
es Reichs-Gesundheitsamkes. Erweiterte Berücksichtigung des Arbeiterstandes
ver der Zusammensetzung des Volkswirthschaftsrathes. 2) Möglichste Er-
weiterung des Staatsbetriebes in arbeiterfreundlichem Sinne. 3) Förderung
obligatorischer Gewerkschafts-Verbände der Arbeiter, analog den Innungs-
Verbänden der Arbeitgeber; Ausstaltung derselben mit Corporationsrechten.
4) Organisation von obligatorischen Alters-, Unfallversicherungs= und In-
validenkassen. 5) Verpflichtung der Unternehmer von Staats= und Gemeinde-
arbeilen, die von ihnen beschäftigten Arbeiter nicht unter einem bestimmten,
zur Bestreitung der nothwendigen Lebensbedürfnisse erforderlichem Satze zu
löhnen. 6) Einführung eines fachlich geschiedenen Normal-Arbeitstages.
Thunlichste Beschränlung der Sonntagsarbeit. Verbot der Kinderarbeit und
jeder die Gesundheit und Sittlichkeit schädigenden Frauenarbeit. 7) Aus-
dehnung der Befugnisse der Fabrik- Jnspektoren auf das Baugewerbe. sowie
auf alle mit besonderer Gefahr für Leben und Gesundheit der Arbeiter be-
triebene Industriepwweige. 8) Befreinng der Gefängnißarbeit von der privaten
Ausbenliung. 9) Schuß der nationalen Arbeit gegen das Ausland, namentlich
gegen dessen arbeilerfeindlichen Betrieb der Arbeil. 10) Ausgleich der in-
direlten Steuern durch ein starkes System progrefsiver Einkommen= und
Erbschaftssteuern. 11) Einführung einer Börsen= und hoher Luxussteuern.
12) Organisation des Auswanderungswesens."“
25. Januar. (Baden.) Die Landesversammlung der kath.
Volkspartei“ beschließt in Freiburg i. Br. ein neues Programm,
das, im Uebrigen sehr kurz und inhaltlos, an die Spitze den Satz
stellt, daß die Partei die Grundsätze der Centrumspartei im Reichs-
tage als die ihrigen anerkenne.
Die ultramontane Partei in Baden löst sich also, obgleich der Cul-
turkampf für dieses Land im vorigen Jahre beigelegt und erledigt worden
ist, nicht auf. Das ist schon an sich eine höchst bedeutsame Thatsache.
Allein noch mehr. In!! den badischen Centralausschuß wird weder dessen
bisheriger Vorsiyender, Decan Lender, noch das bedeutendste Mitglied des-
elben, der „milde" Decan Förderer, wieder gewählt: die Partei will also
ich mit dem Erreichten nicht begnügen, sondern weiter gehen und eine ent-
chiedenere Haltung annehmen. Der Abg. Baumstark kritt in Folge dieser
Wendung aus der Partei aus und Porillbel diesen Schrilt in einem
edeutungsvollen Schreiben auf folgende Weise: „Es wäre eine grobe
Unwahrheit, wenn man behaupten wollte, die „katholische Volkspartei
Badens“ habe sich schon bisher schlechthin zu den Grundsähen. der Centrums-
partei bekannt. Die Centrumspartei ist es, welche im vorigen Jahr mit
frevelhafter Hand die ersten, wohlwollenden Friedensbestrebungen der
preußischen Regierung zurückgestoßen hat. Diese Partei bekämpft den modernen
Staat als solchen grundsählich: sie ist es, deren Starrsinn und Fanatismus
dafür sorgt, daß in Preußen auch künftighin eine große Anzahl von Katho-
liken der Seelsorge und der Sacramente leider werden entbehren müssen.