Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

38 Ha deuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 25). 
sondern die Regelung der Angelegenheit müsse dem gegeuseitigen Einver- 
nehmen der Negierung und der Volksvertretung überlassen bleiben 
25. Januar. (Deutsches Reich.) Die sog. Staatssozialisten 
Körner und Finn erlassen das Programm eines sozialen Arbeiter- 
vereins, in dem sie folgende Forderungen aufstellen: 
„Vom Staate resp. dem Reiche als sittlichen Gesellschaftsbande fordert 
der sociale Arbeiter- Verein: 1) Errichtung eines Arbeitsamtes nach Analogie 
es Reichs-Gesundheitsamkes. Erweiterte Berücksichtigung des Arbeiterstandes 
ver der Zusammensetzung des Volkswirthschaftsrathes. 2) Möglichste Er- 
weiterung des Staatsbetriebes in arbeiterfreundlichem Sinne. 3) Förderung 
obligatorischer Gewerkschafts-Verbände der Arbeiter, analog den Innungs- 
Verbänden der Arbeitgeber; Ausstaltung derselben mit Corporationsrechten. 
4) Organisation von obligatorischen Alters-, Unfallversicherungs= und In- 
validenkassen. 5) Verpflichtung der Unternehmer von Staats= und Gemeinde- 
arbeilen, die von ihnen beschäftigten Arbeiter nicht unter einem bestimmten, 
zur Bestreitung der nothwendigen Lebensbedürfnisse erforderlichem Satze zu 
löhnen. 6) Einführung eines fachlich geschiedenen Normal-Arbeitstages. 
Thunlichste Beschränlung der Sonntagsarbeit. Verbot der Kinderarbeit und 
jeder die Gesundheit und Sittlichkeit schädigenden Frauenarbeit. 7) Aus- 
dehnung der Befugnisse der Fabrik- Jnspektoren auf das Baugewerbe. sowie 
auf alle mit besonderer Gefahr für Leben und Gesundheit der Arbeiter be- 
triebene Industriepwweige. 8) Befreinng der Gefängnißarbeit von der privaten 
Ausbenliung. 9) Schuß der nationalen Arbeit gegen das Ausland, namentlich 
gegen dessen arbeilerfeindlichen Betrieb der Arbeil. 10) Ausgleich der in- 
direlten Steuern durch ein starkes System progrefsiver Einkommen= und 
Erbschaftssteuern. 11) Einführung einer Börsen= und hoher Luxussteuern. 
12) Organisation des Auswanderungswesens."“ 
25. Januar. (Baden.) Die Landesversammlung der kath. 
Volkspartei“ beschließt in Freiburg i. Br. ein neues Programm, 
das, im Uebrigen sehr kurz und inhaltlos, an die Spitze den Satz 
stellt, daß die Partei die Grundsätze der Centrumspartei im Reichs- 
tage als die ihrigen anerkenne. 
Die ultramontane Partei in Baden löst sich also, obgleich der Cul- 
turkampf für dieses Land im vorigen Jahre beigelegt und erledigt worden 
ist, nicht auf. Das ist schon an sich eine höchst bedeutsame Thatsache. 
Allein noch mehr. In!! den badischen Centralausschuß wird weder dessen 
bisheriger Vorsiyender, Decan Lender, noch das bedeutendste Mitglied des- 
elben, der „milde" Decan Förderer, wieder gewählt: die Partei will also 
ich mit dem Erreichten nicht begnügen, sondern weiter gehen und eine ent- 
chiedenere Haltung annehmen. Der Abg. Baumstark kritt in Folge dieser 
Wendung aus der Partei aus und Porillbel diesen Schrilt in einem 
edeutungsvollen Schreiben auf folgende Weise: „Es wäre eine grobe 
Unwahrheit, wenn man behaupten wollte, die „katholische Volkspartei 
Badens“ habe sich schon bisher schlechthin zu den Grundsähen. der Centrums- 
partei bekannt. Die Centrumspartei ist es, welche im vorigen Jahr mit 
frevelhafter Hand die ersten, wohlwollenden Friedensbestrebungen der 
preußischen Regierung zurückgestoßen hat. Diese Partei bekämpft den modernen 
Staat als solchen grundsählich: sie ist es, deren Starrsinn und Fanatismus 
dafür sorgt, daß in Preußen auch künftighin eine große Anzahl von Katho- 
liken der Seelsorge und der Sacramente leider werden entbehren müssen. 
  
  
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.