Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

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abgelehnt. (Vgl. über die Sachlage und die Tendenz des Antrags 
Windthorst das zum 15. Jannar Beigebrachte.) 
Antrag Windthorst: „Den Strafbestimmungen der Geseße vom 
11. Mai 1873 über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen, vom 
12. Mai 1873 über die kirchliche Disriplinargewalt und die Grrichtung 2#n 
löniglichen Gerichtshofs für kirchliche Angelegenheiten, vom 20. Mai 1874 
über die Verwaltung erledigter katholischer Bisthümer, vom 21. Mai 1874 
wegen Declaration und Ergänzung des Gefehes vom 11. Mai 1873 über 
die Vorbildung und Anslellung der Geistlichen, und vom 22. April 1875, 
betreffend die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römisch= 
katholischen Visthüneer und Heinlichen, unterlient das Spenden der Sacra- 
mente und das Lesen der Messe nicht.“ Motivirte Tagesordnung 
v. Rauchhaupt und Gen. (conservative Parkei): „In Erwägung, daß die 
baldige Beendigung des kirchenpolitischen Streites ein dringendes Bedürfniß 
für den Frieden und die gesunde Eulwicklung des Staats wie der Kirche 
ist, daß insbesondere die Beseitigung des Nothstandes, in welchem viele 
katholische Gemeinden durch den Mangel einer geordnelen Seelsorge sich be- 
finden, allen Ernstes anzustreben ist; in Erwägung jedoch, daß der Antrag 
des Abg. Dr. Windthorst im Fall seiner Annahme die Gefahr nicht aus- 
schließt, daß damit eine Quelle weiterer Verwicklungen zwischen Slaat und 
Kirche geschaffen und der erwünschte Friede zwischen beiden mehr gefährdet. 
als gesördert würde; in endlicher Erwägung, daß die weitere Verfolgung 
des von der königlichen Staatsregierung in dem Gesetzentwurfe vom 14 Mai 
1880 belretenen Weges zur Zeit am meisten geeignet erscheint, ein friedliches 
Verhältniß zwischen Staat und Kirche wieder anzubahnen, über den Antrag 
des Abg. Dr. Windthorst zur Tagesordnung überzugehen.“ Darlegung 
des Cultusministers v. Puttkamer: „Als im vorigen Jahre das Julie 
gesetz in den Berathungen des Abgeorduetenhaufes die gegemwärtige Gestalt 
erhalten hatte, hat sich die Regierung die Frage vorgelegt: ob sie ihrerseits 
das verstümmelte Gesetgebungswerk annehmen könne, da die Veränderungen 
ihr die Erreichung der friedlichen Intentionen, welche sie erzielen wollte, 
unmöglich gemacht hatten. Die Regierung hat sich zur Annahme lediglich 
aus dem Grund entschlossen, um den Art. 5 zu retten, um durch ausgiebige 
Benutung dieses Artikels dem von ihr anerkannten Nothstand ein Ende zu 
machen. Wir haben damols im Berein mit denjenigen Parteien dieses 
Hauses, welche sich uns auschlossen, gegen das Votum der Herren vom 
Cenlrum deie Milderung durchgesetzt, wir haben es ihnen fast mit Gewalt 
abringen müssen, daß es endlich dazu kam, auf dem Boden der Praxis eine 
Besserung des Zustandes herbeizuführen. Ich meine deßhalb, daß dem 
Herrn Abgeordueten die innere Berechtigung fehlt, die Regierung und das 
Haus zu zwingen, einen principiell völlig anderen Schritt zu thun, als der 
mit jenem Geseh geschehen ist. Was nun den Nothstand betrifft, so ver- 
folgt die Regierung die Bewegungen innerhalb des katholischen Seelsorge- 
Klerus mit der größten Aufmerksamkeit. Es wird periodisch von dem Cen- 
lralpunkt alles Material gesammelt. Ich bin deßhalb über die Sitnation 
völlig orientirt und muß sagen, daß mein Bild von der Sache sehr wesentlich 
abweicht von demjenigen, welches Herr“ Windthorst entwirft. Die von 
Herrn Windthorst gangebene Zahlen sind zwar an einzelnen Punkten 
richtig, aber das Resultat, welches er zieht, ist falsch. Ich kann Ihnen 
solgende Mittheilungen machen. Die Gesammtzahl der preußischen katho- 
lischen Pfarreien belrägt 4604 mit rund 8,800,000 katholischen Seelen; 
davon sind allerdings nicht mehr ordnungsmäßig mit Pfarrern besetzt 
1103 Pfarreien mit rund 2,085,000 Seelen. Hierunter befinden sich natürlich
	        
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