Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

44 H deuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 27.) 
die Vorbereitung der Gesetzvorlagen erfolgt, muß der Natur der Sache nach 
der Stand der Beamten und Gelehrten überwiegen. Es ist daher ein Be- 
dirstiß nicht nur für die Regierungen, sondern auch für die Parlamente 
selbst, daß auch diejenigen an geeigneter Stelle zu Worte kommen, welche 
be Wirkung der Gesetze am meisten zu empfinden haben. Wie bei anderen 
Einrichtungen, so handelt es sich auch hier zunächst, den richtigen Weg im 
Vorgehen zu suchen nicht in dem Sinne, daß die neugeschaffene Institulion 
etwa wieder aufgegeben werden könnte, sondern um zu ermitteln, welche 
Aenderungen und Zusähe sich im Laufe der Zeit auf dem Grunde practischer 
Erfahrung als nothwendig oder nützlich erweisen werden. Schon heute darf 
in einer erheblichen Beziehung die Bildung des Volkswirthschaftsrathes als 
abgeschlossen nicht angesehen werden. Die Gemeinschaftlichkeit des deutschen 
Muirthschaftsgebieles und der deutschen Wirthschaftsinteressen wie die Bestim- 
mungen der Reichsverfassung, wonach die wirthschaftliche Gesehgebung der 
Hauptsache nach dem Reiche zusleht, führen von felbst dahin, die Errichtung 
auch eines Volkswirthschaftsraths für das deutsche Reich ins Auge 
zu fassen. Es würde dies von vorn herein geschehen sein, wenn nicht zur 
Erreichung dieses Zieles eine längere Vorbereitung nöthig gewesen wäre, 
für welche die Zeit bis zur nächsten Reichstagssiyung nicht ausgereicht hätte. 
Damit wäre die Möglichkeit ausgeschlossen gewesen, die wichtigen Vorlagen, 
welche gerade in nächster Zeit die Gesetzgebung beschäfligen werden, dem 
sachverständigen Urtheil der Betheiligten rechtzeitig zu unterbreilen. Der 
preußische Volkswirthschaftsrath wird sicherlich nicht zu einer particularisli- 
schen Institution werden. Die Einrichtung desfelben erscheint vielmehr als 
der kleinste Weg, umzur Herstellung einer entsprechenden Reichsinstilution 
zu gelangen. Daß dieses ziel alsbald erreichbar sein werde, dafür habe ich 
gegründete Hoffnung. Die ersten Gegenstände, welche Ihrer Verathung unter= 
breitet werden sollen, sind zwei Gesetzentwürfe über die Versicherung von 
Arbeitern gegen Unfälle und über die Neugestaltung des Innungswesens. 
Die Möglichkeit bestehl, daß Ihnen auch noch andere Vorlagen im Laufe 
Ihrer ersten Sihungsperiode zugehen. Mit jenen Entwürfen wird sich zu- 
nächst der permanente Ausschuß zu beschäftigen haben. Die Staalsregierung 
ist sich bewußt, daß sie die Thätigkeit der Herren nicht für zu lange Zeil 
in Anspruch nehmen darf; soweit indessen die Resultate der Berathungen 
in den Ausschüssen nicht ausreichen, um den Fartoren der Gesetzgebung die 
nöthige Anfklärung geben zu können, wird es sich nicht vermeiden lassen, 
auch die Meinungsäußerungen des Plenums herbeizuführen. Auch in diesem 
Falle aber wird sich die Thätigkeit des letztern durch die von den Ausschüssen 
ausgegangene Vorarbeit wesentlich abkürzen. Dieselben auf Erleichterung 
des Geschäftsganges abzielenden Erwägungen sind es gewesen, welche das 
Staatsministerium bestimmt haben, für jedes Mitglied der Ausschüsse die 
Wahl eines ersten und zweiten Stellvertreters in Aussicht zu nehmen. Hie- 
durch wird es ermöglicht, daß die * nach eigener Wahl und Verein= 
barung in ihrer Thätigkeit 451 n, und daß der einzelne nicht für zu 
lange Zeit seinen Berufsgeschäf ften entzogen wird. Für künftig wird es sich 
vielleicht auch empfehlen, daß die der Berathung zu unterstellenden Vorlagen 
den Herren Mitgliedern einige Zeit vor der Einberufung zugesandt werden. 
Es würde auf diese Weise Gelegenheit gegeben sein, sich schon im Kreise der 
Fachgenossen ein Urtheil zu bilden und eine engere Beziehung wischen den 
in den Ausschüssen thätigen und den übrigen Mitgliedern herzustellen.“ 
Der Volkswirthschaftsrath constituirt sich und wählt seinen 
permanenten Ausschuß so wie die drei Sectionen für Gewerbe, Han- 
del und Landwirthschaft, die unter dem Vorsitze der Minister v. Böt- 
 
	        
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