62 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 17—22.)
Laufbahn in den Jahren 1866 und 1870 sind sehr verschiedene Urteile ge-
fällt worden. Jedenfalls hat Deutschland an ihm einen seiner besten Fürsten
verloren. Friedrich Franz ll. war eine tüchtige, gerade und feine Natur
und ein fleckenloser Ehrenmann. Der einzige Schatten auf diesem Fürsten-
bilde dürfte in kirchlichen Fragen eine etwas engherzige lutherisch- konfessionelle
Richtung gewesen sein.
17.—18. April. (Bayern.) II. Kammer: Beratung der Not-
standsvorlage. Die Regierung beharrt auf ihren Vorschlägen, die
Linke bekämpft nachdrücklich die engherzigen Anträge der ultramon-
tanen Mehrheit des Ausschusses, v. Schlör stellt einen Vermittlungs-
antrag. Die Regierungsvorlage wird jedoch mit 79 gegen 74
Stimmen abgelehnt und ebenso der Antrag Schlör und dagegen
mit 83 gegen 68 Stimmen der Antrag der Kommission angenom-
men. Das Zustandekommen des Gesetzes ist vorerst sehr fraglich.
19.—30. April. (Deutsches Reich.) Reichstag: Beratung
des Krankenkassengesetzes. Dasselbe wird in 2. Lesung erledigt und
wesentlich nach den Anträgen der Kommission genehmigt.
20. April. (Preußen.) Abg.-Haus: Kanalkommission: lehnt
den den Hauptpunkt bildenden Art. 1 der Regierungsvorlage ab
und erklärt sich mit 15 gegen 8 Stimmen in einer Resolution für
die Führung des Kanals nach der Elbe bei Magdeburg.
20. April. (Bayern.) I. Kammer: Notstandsausschuß: be-
schließt auf den Antrag des Prinzen Ludwig, eine Erhöhung des
der Regierung zu gewährenden Gesamtkredits von 1,410,000 M,
wie die ultramontane Mehrheit der II. Kammer beschlossen hat,
auf 1,660,000 .M zu beantragen. Die Rechte der II. Kammer soll
dadurch zu weiterem Nachgeben veranlaßt werden. Man hält es
für sicher, daß die Il. Kammer dem Antrag zustimmen und daß auch
die Mehrheit der II. Kammer sich einer Zustimmung kaum werde
entziehen können.
21. April. (Bayern.) I. Kammer: genehmigt einstimmig
den Antrag ihres Ausschusses beg. der Notslandsvorlage, indem sie
den Gesamtbetrag des Kredits sogar noch etwas erhöht und auf
1,685,000 M. stellt.
22. April. (Bayern.) II. Kammer: die liberale Linke wählt
zum großen Verdruß der Klerikalpatrioten den extremen Abgeord-
neten v. Hafenbrädl in den sozialpolitischen Ausschuß. Die Klerikal-
patrioten behaupten, es sei dies infolge einer förmlichen Übereinkunft
der Linken mit der kleinen Fraktion der Extremen geschehen, um
sich für die Frage der Notstandsvorlage gegen die Klerikalpatrioten
eine Mehrheit zu sichern.