64 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 25.)
drücklich auf die Gleichberechtigung der Pensionäre aus den früheren Kriegs-
jahren hinweist. Auch die bekannte und vielerörterte Frage über die in allzu
reichlichem Maße stattfindende frühzeitige Pensionierung der Offiziere wird
nicht mit Stillschweigen übergangen; der württemb. Abg. Mayer erklärt so-
gar, daß er gegen das Pensiongesetz. schlechthin stimmen müsse, solange man
an dem Prinzip festhalte, daß eine Übergehung im Avancement die Pensio-
nierung des übergangenen herbeiführe. Gegenüber diesen Schwierigkeiten fand
es die Kommission“ schließlich für gut, ihre Beratungen zu vertagen und über-
haupt in dieser Session nicht wieder aufzunehmen. Die Aufgabe der Kom-
mission ist darum eine besonders delikate, weil es ein öffentliches Geheimnis
ist, daß der Kaiser persönlich den Auschauungen und Bestrebungen der ent-
schiedenen Mehrheit des Reichstags in allen oben berührten militärischen
Fragen einen unbengsamen Widerstand entgegensetzt.
25. April. (Deutsches Reich.) Reichstag: die Holzzoll=
kommission modifiziert in 2. Lesung ihren Antrag bez. Erhöhung
der Holzzölle mit 11 (konserv.) gegen 10 (lib.) Stimmen dahin:
Für Bau= und Nutzholz, wenn dasselbe roh oder blos mit der Art
vorgearbeitet ist oder lediglich Enden mit der Säge eingeschnitten sind, für
eichene Faßdauben, ungeschälte Korbweiden, Reifenstäbe beträgt der Zoll pro
100 kg 30 d oder pro Festmeter 180 d; wenn dasselbe in der Richtung
der Langare oder auf anderem Wege zerkleinert ist, für Faßdauben, welche
nicht unter pos. 1 fallen, sowie ähnliche Sägeschmittwaren beträgt der Zoll
pro 100 kg 70 d. oder pro Festmeter 4 M 20 d
Kommission wegen Entschädigung für unschuldig erlittene
Straf= und Untersuchungshaft: nimmt in erster Lesung mit 8 gegen
1 Stimme den Antrag Philipps an, der die Entschädigungspflicht
des Staats in solchen Fällen anerkennt. Die Regierung ist jedoch
vorerst noch nicht geneigt, die Hand dazu zu bieten.
25. April. (Preußen.) Abg.-Haus: lehnt den erneuerten
Antrag Windthorst auf Freigebung des Messelesens und der Sakra-
mentspendung mit 229 gegen 133 Stimmen (des Zentrums, der
Polen und eines Teils der Konservativen) ab, ebenso den Antrag
Hänels auf Ubergang zur Tagesordnung und Richters auf Ver-
weisung an eine Kommission und genehmigt dagegen einen Antrag
Althaus und der Konservativen mit 209 gegen 156 Stimmen. Der-
selbe lautet
Die k. Staatsregierung wolle, sobald es die mit der Kurie schweben-
den Verhandlungen angezeigt erscheinen lassen, dem Landtage der Monarchie
einen Gesetzentwurf vorlegen, welcher eine organische Revision der bestehenden
kirchenpolitischen Gesetzgebung enthält, und in Erwägung ziehen, ob nicht in
übereinstimmung mit den Grundgedanken dieser organischen Revision vorweg
Vorsorge zu treffen sei, daß diejenigen Bestimmungen beseitigt werden, infolge
deren Geistliche wegen Spendens der Sakramente und Messelesens in Strafe
gezogen werden.“
Der Kultminister v. Goßler gibt vor der eigentlichen Debatte eine
Art Erklärung ab, die jedoch in die kirchenpolitische Sachlage keinerlei Klärung
bringt und die Windthorst nicht ohne Grund als delphisch, rätselhaft, dila-