Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 5.) 73
römischen Kirche danernd im alleinigen Wege seiner Gesetzgebung
zu regeln. Er wird dann den katholischen Preußen alles zu gewähren
haben, was mit dem unentbehrlichen Maße staatlicher Autorität verträgiich
ist, über diese Linie hinaus aber das weltliche Gesetz ungemildert durch Ver
ständigung mit geistlichen Organen walten lassen. Dann wird für den
Staat die Anzeigepflicht nahezu entbehrlich. Er würde dann die Wahrung
seiner Autorität und des konfessionellen Friedens durch eine repressive Wir-
kung seiner Gesetze zu erstreben haben. Die königliche Regierung wünscht,
auf diesen Weg nicht gedrängt Zu werden, und würde ihn erst betreten,
wenn sie die Hoffnung auf einen Erfolg der schwebenden Verhandlungen auf-
geben müßte; sie hält an dieser Hoffnung jest, so lange ihr die Aussicht,
ihre Rechte und Interesien bei Anstellung von Geistlichen auf der Basis der
Anzeigepflicht mittels Verstndigung wahren Zu konnen, nicht abgeschnitten
wird. In diesem Sinne ist die lönigliche Regierung bereit, der Kurie die
Gestattung der Anzeige durch Einschränkung der Kategorieen, für welche sie
beansprucht wird, zu erleichtern. Die Kurie wird einen Beweis des ernst-
lichen Strebens der Regierung nach friedlichem Zusammenwirken darin er-
kennen, wenn die königliche Regierung ihre Geneigtheit ausspricht, im Wege
der Gesetzgebung auf die Anzeigepflicht bezüglich eines Teiles, der
Geistlichen zu verzichten. Wenn die königliche Regierung die über-
zeugung hat, in den sonstigen Fragen zu einer Verständigung zu gelangen,
so würde diejelbe bereit sein, wie es schon in Artikel 4 der Vorlage von
1882 in Aussicht genommen war, die Zuständigleit des Gerichtshofs auf dem
Gebiete der Anzeige zu beseitigen und das Verlangen vorgängiger Benennung
auf die mit Seelsorge verbundenen Benefizien (Denelices harochinng) sowie
auf die Pfarrverweser und auf die wegen der hohen administrativen und
politischen Bedenkung wichtigen höheren Kirchenämter, Generalvikare, Dekane
u. s. w., zu beschränken, die nicht beuesigierten Hilfs geistlichen
aber davon ausnnehmen. Wenn der Fürst Bismark hoffen dürfte, daß
eine Gesetzesvorlage in dieser Richtung die Bereitwilligkeit der Kurie zur
Gestattung der Anzeige herbeiführte, so würde derselbe geneigt sein, eine solche
bei Sr. Majestät und beim Staatsministerium zu befürworten. Es würde
auf diesem Wege die Möglichleit für die Geistlichkeit geschaffen, da, wo
jetzt Seelsorger mangeln, ohne Mitwirkung der Regierung Abhilfe zu treffen
und insbesondere das ungehinderte Messelesen und Spenden der Sakramente
ür alle Fälle zu sichern, indem diese Funktionen durch nicht benefizierte
Hilfsgeistliche versehen werden könnten, sobald dieselben ohne Anzeige nur
en allgemeinen gesetzlichen Erfordernissen für die Vornahme geistlicher Amts-
handlungen, wie beispielsweise Indigenat, Vorbildung und den sonstigen Be-
dingungen genügen, welchen alle Geistlichen der christlichen Kirche dem Staate
gegenüber zu entsprechen haben. Aus der Beilage Zu der Note Sr. Eminenz
vom 7. April ds. Jrs. hat die königliche Regierung ersehen. daß das von
ihr schon bisher geleistete Entgegenkommen von dem Verfasser jener Beilage
nicht vollständig gewürdigt worden ist; so ist das wissenschaftliche Staats-
examen bereits durch Artikel 3 der Novelle vom 31. Mai 1882 virtuell be-
seitigt, so sind Knaben-Alumnate inzwischen auf der Grundlage des gemeinen
Rechts in Fulda und Paderborn bereits eingerichtet und der Eröffnung von
Priesterseminarien gur praktischen Ausbildung stehen erkennbare Schwierig-
keiten unseres Wissens nicht entgegen. Die königliche Regierung ist über-
zeugt, daß die Divergenzen beider Teile sich auch in anderer Richtung geringer
erweisen werden, als sie scheinen, wenn die Kurie sich dazu verstehen will,
die Anzeigepflicht in dem oben erwähnten eingeschränkten Maße erfüllen zu
lassen und dadurch den Boden praktischer Verständigung zu betreten. Es
würde dann der Regierung möglich sein, über den Artikel 5 der Vorlage