Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1883. (24)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 5—6.) 89 
hat sich auch Preußen bis zum Jahre 1849 resp. in den der Monarchie 
später einverleibten Gebietsteilen bis zur Einführung der preußischen Ver- 
fassungsurkunde, das Mitwirkungsrecht des Staates bei Besetzung der geist- 
lichen Amter in engeren Schranken bewegt, ohne daß hieraus Unzuträglich- 
keiten erwachsen wären oder die Möglichkeit zur Wahrnehmung der staat- 
lichen Zuteressen merklichen Abbruch erlitten hätte. Demgemäß schlagen die 
Artikel 1 und 2 eine anderweite Regelung vor, wonach dem staatlichen Ein- 
spruchrecht fortan nur noch solche geistliche Amter unterliegen sollen, welche 
fundationsmäßig dauernd zu besetzen sind. Für Seelsorgerämter, bei welchen 
dies nicht zutrifft, deren Inhaber also unbedingt abberufen werden dürfen, 
wohin die sogenannten Sukkursalpfarreien Licht gehören (§ 19 Absatz 2 1c), 
tritt die Benennungspflicht der geistlichen Oberen außer Kraft. Das Dasselbe gilt 
für die Anordnung einer bloßen Stellvertretung oder Hilfsleistung in einem 
anzeigepflichtigen Amte. Nur wenn es sich bei erledigten oder solchen be- 
setten Pfarreien, deren Inhaber an der Ausübung ihres Amtes behindert 
sind, um die Einrichtung einer interimistischen Verwaltung durch Verweser, 
Administratoren, Provisoren u. dergl. handelt, wird es wegen der Wichtigleit 
dieser Stellungen bei dem staatlichen Einspruchsrecht sein Bewenden behalten 
müssen. Artikel 3 und 4. Die Artikel 3 und 4 geben dem Gedanken, welcher 
im Artikel 4 des kirchenpolitischen Gsetzentwurfs vom Jahre 1882 formuliert 
war, einen erneuten, jeht aber schärfer präzisierten Ausdruck. Die Staats- 
regierung kann an der Auffassung nur festhalten, daß das staatliche Ein- 
spruchsrecht gegen die Austellung der Geistlichen einen eminent politischen 
Charakter hat, daß die durch das Gesetz vom 11. Mai 1875 geschaffene 
richterliche Zuständigteit in dieser Angelegenheit eine Anomalie bildet, und 
daß es aus innern wie aus äußern Rücksichten geboten ist, zu denjenigen 
Grundsätzen zurückzukehren, welche von ihr dieserhalb bereits in der Regie- 
rungsvorlage vom Jahre 1873 vertreten worden sind. Artikel 5. Nach 
Artikel 1 des Entwurfs soll die Anzeigepflicht der geistlichen Oberen fortan 
wegfallen, sofern von ihnen eine Stellvertretung oder Hilfsleistung in einem 
geistlichem Amte angeordnet wird. Das Gesetz vom 24. Juli 1880 hat im 
Artikel 5 eine entsprechende Bestimmung nur für geistliche Amtshandlungen 
getroffen, welche von gesetzmäßig angestellten Geistlichen in erledigten oder in 
solchen Pfarreien, deren Inhaber an der Ausübung des Amtes verhindert 
ist, vorgenommen werden, ohne dabei die Absicht zu bekunden, dort ein geist- 
liches Amt zu übernehmen. Es liegt in der Konsequenz, diese Bestimmung 
nunmehr in der hier vorgeschlagenen Weise weiter zu entwickeln. Artikel 6. 
Der rein kassatorische Inhalt des Artikels 6 bedarf näherer Erläuterung nicht. 
2. Lesung der Vorlage der Regierung betr. Anlage eines 
Kanals vom Rhein nach der unteren Ems. Die Kommission trägt 
auf Ablehnung der Vorlage an. Das Haus nimmt sie jedoch mit 
einigen Modifikationen an. 
Die Kommission beantragt, die Vorlage abzulehnen und die Staats- 
regierung zur Vorlage eines Gesetzes für die nächste Session aufzufordern, 
betreffend den Bau eines“ Kanals vom Rhein (Ruhrort) in der Richtung nach Dortmund-Henrichenberg-Münster-Minden-Hannover 
der mitt- 
leren Elbe mit einem Zweigkanal. von Bevergern nach der unteren Ems. 
Hierzu beantragt Hammacher: 1) die überschrift des Gesetzes zu fassen: „Gesetz 
betr. den Bau eines Schiffahrtskanals zur Verbindung des Rheins mit Ems, 
Weser und Elbe“; 2) das Gesetz anzunehmen, aber § 1 folgendermaßen zu 
fassen: „Zur teilweisen Ausführung des Schiffahrtskanals, welcher bestimmt 
ist, den Rhein mit Ems, Weser und Elbe zu verbinden — und zwar zunächst