90 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 6—7.)
zum Bau der Kanalstrecke von Dortmund nach der unteren Ems in Gemäß-
heit der vom Minister der öffentlichen Arbeiten festzustellenden Projekte
wird der Staatsregierung die Summe von 46 Mill. M zur Verfügung ge-
stellt.“ Regierungskommissär Schulz: die Regierung halte nach wie
vor daran fest, daß die von ihr vorgeschlagene Linie von allen in der Theorie
bis her empfohlenen Kanälen am besten geeignet sei. Durch dieselbe werde
der Frage der weiteren Fortführung nicht präsudiziert. Diese Linie werde
in jedem Falle doch gebaut werden müssen. Daß der Bau des Emskanals
einen Anschluß an ver Rhein sowohl, als die Weiterführung nach der Weser
und Elbe- bedinge, sei zweifellos und ein berechtigter Anhalt dafür, daß die
Regierung die Verbindung der unteren Flußläufe, nicht aber einen Binnen-
kanal und den Auschluß an Schlesien ersireb, sei nicht vorhanden, vielmehr
erachte sie diese Frage als eine offene. Die Regierung erkläre ihr Einver-
ständnis mit der von Hammacher vorgeschlagenen Anderung des § 1 und
würde in der Annahme der Regierungsvorlage oder dieses Antrags die Auf-
forderung zu weiteren Kanalvorlagen erblicken, die Ablehnung des Kanals
würde sie aber als eine prinzipielle Abneigung bes Hauses gegen jeden Kanal-
bau ansehen müssen. Finanzminister Scholz verlangt für die Erklärung
der Regierung denselben Glauben, wie ihn andere beanspruchen. Die Regie-
rung halte die Frage der Fortführung des Kanals für eine offene. Er stellt
in Abrede, daß sie sich bereits für die Küstenlinie entschieden habe und er-
kennt übrigens an, daß es den Gegnern des Gesetzes lediglich auf Sicherung
des Binnenkanals ankomme. Es sei aber nicht der preußischen Tradition
entsprechend, mit Ostentation eine derartige Angelegenheit zu beginnen und
mit gebundener. Marschroute vorzugehen. Windthorst: Nach den Erklär-
ungen der Regierung sei jeder Antrag, der die Regierung binden wolle, einer
Ablehnung des Kanals gleich, deshalb möge man entweder die Vorlage ein-
fach annehmen oder ohne Resolution ablehnen. Berger beantragt für den
Fall der Annahme der Hammacher'schen Anträge die Negierung zur Vor-
legung eines Gesetzentwurfs über die Verbindung der Kanalstrecke von Dort-
mund nach der unteren Ems mit dem Rhein und der mittleren Elbe und
über die Herstellung einer leistungsfähigen Wasserstrecke zwischen den Montan-
distrikten Oberschlesiens und Berlin aufzufordern. Minister v. Bötticher
Die Regierung sei mit Freuden bereit, allen berechtigten Wünschen entgegen-
zukommen; aber sich für eine bestimmte Richtung der Fortführung zu binden,
worüber noch nicht einmal die Vorarbeiten begonnen haben, sei nicht möglich.
Er bitte um Annahme der Regierungsvorlage, wodurch ein segensreiches Werk
geschaffen werde; der Erfolg des Beschlusses werde seine Zweckmäßigkeit er-
weisen. Die Regierung werde berechtigten Wünschen der übrigen Provinzen
daun gern Rechnung tragen. Schließlich wird § 1 der Vorlage nach der
Fassung Hammachers in namentlicher Abstimmung mit 228 gegen 111 Stim-
men und ebenso die von Berger beantragte Resolution und der Rest der
Vorlage ohne wesentliche Modifikation angenonnen. (Die Annahme der-
selben Beschlüsse erfolgt in 3. Lesung am 9. Juni
6. Juni. (Deutsches Reich.) Reichstag: hat in allen drei
Lesungen eine Reblausvorlage der Regierung genehmigt.
6. Juni. (Mecklenburg-Strelitz.) Die kirchliche Kon-
ferenz für Neustrelitz beschließt die Agitation gegen die obligatorische
Civilehe neuerdings in Fluß zu bringen.
7. Juni. (Deutsches Reich.) Reichstag: Kommission für
den Gesetzentwurf betr. Versorgung der Hinterbliebenen von Militär-