132 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Sept. 17—20.)
preußische Regierung als Äquivalent für ihren Verzicht auf dieselbe
bei Hilfspriestern erwartet hatte, ist keine Rede. Die „Germania“
bezeichnet es indes als eine „große Konzession“ der Kurie, daß sie
die ihr in dem Gesetze dargebotene Erleichterung nur annimmt.
17. September. (Bayern.) In München sind die Schüler-
Inskriptionen für die beiden noch übriggebliebenen Simultanschulen
so zahlreich, daß überfüllung eintritt und die Schülerzahl in vielen
Klassen beider Schulhäuser das gesetzliche Maximum erheblich über-
steigt.
Die ultramontanen Gemeindebehörden wollen dem Ubelstand einfach
dadurch abhelfen, daß sie den Uberschuß ohne weiteres den nächsten katho-
lischen Konfessionsschulen zuweisen. Die Eltern protestieren jedoch energisch
dagegen und beharren auf ihrem Recht gegenüber einer Partei, die sich sonst
immer auf das „Gewissen der Eltern“ beruft, wo es ihr dient, und verlangen
die Bildung weiterer Parallelklassen, wofür zum Teil besondere Räumlich-
keiten zu mieten wären.
20. September. (Deutsches Reich.) Der Generalsekretär
des westdeutschen und des allg. deutschen Handwerkerbundes, der
bekannte zünftlerische Agitator Faßbind, gibt Hrn. Windthorst und
seinen Bemühungen auf dem Düsseldorfer Katholikentag, alle Ver-
suche, der Sozialpolitik des Zentrums einen bestimmten Ausdruck zu
geben, im Interesse der dadurch geföhrdeten Einigkeit und Aktions-
freiheit der Partei zu hintertreiben, eine Antwort, die an Deutlich-
keit in der That nichts zu wünschen übrig läßt.
Hr. Faßbind gibt in einer öffentlichen Erklärung in der „Köln. Ztg. “
kund und zu wissen, daß die Entrüstung der Handwerker-Delegierten über
ihre unqualifizierbare Behandlung“ in Düsseldorf eine allgemeine gewesen sei.
Die dort angenommenen Resolutionen zur Handwerkerfrage kann der
eingefleischteste Manchestermann ruhig unterschreiben, da man unter den Be-
griff „Korporative Gestaltung“ ebensogut „Jnnung, freiwillig oder obliga-
torisch, Bruderschaft, Genossenschaft oder Verein“ verstehen kann. Außer dem
armseligen Ergebnis dürften für die Zukunft auch noch andere Gründe maß-
gebend sein, von einer rein konfessionellen Versammlung die Zustimmung zu
einem wirtschaftlichen Programm nicht wieder zu verlangen. Auch braucht
man sich in Zentrumskreisen keiner Illusion hinzugeben, als ob unsere rheinisch-
westfälischen Handwerker durch den bloßen Sympathiebeweis befriedigt seien.
Die „selbständigen Landwerker unseres Bundes werden bei den nächsten
Wahlen mit der „politischen Zentrumspartei“ abzurechnen haben, je nachdem
von letzterer keine oder wieder nur ungenügende Stellungnahme zur Sozial-
reform erfolgt. Die angenommene Resolution ist völlig wertlos, da dieselbe
auch das unbestimmte „Nichts“ des Vordersatzes durch den Nachsatz, der vor-
her die gänzliche Befreiung der Kirche fordert, wieder zurückzieht; ich weiß keine
Rechtfertigung für dieses System zu finden, stets die Freiheit der Kirche in
dem Maße, wie es geschieht, mit rein wirtschaftlichen Fragen zu vermischen.
Demgemäß sollen die Handwerker und alle die, für welche die Sozialreform
bestimmt ist, noch lange warten. Ich erwarte, daß es unserer Handwerker-
bewegung gelingt, selbständiges Denken und einheitliches Handeln bei den