Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Sept. 25—27.) 135
Flottenmanöver. Die beteiligten Kreise sprechen sich über dieselben
sehr befriedigt aus.
Die Manöver waren ungemein kompliziert und besonders dadurch von
Wichtigkeit, daß eine ganze Reihe neuer Erahrungen und Erfindungen zum
ersteumal praktisch angewendet worden sind. So manöverierten die Panzer=
schiffe völlig wie in kriegemäßigem Zustande: ferner fanden mehrere Nacht-
manöver ber elektrischem Lichte statt, wobei sich die auf jeder Fregatte befind-
lichen Apparate besonders zu bewähren hatten; ganz besonders war man aber
überrascht von den Leistungen der Torpedoboote und von den verschiedenen
Landungsversuchen der Schiffsmannschaften und den Manövern, welche diese
mit ihren leichten Schiffsgeschützen auszuführen wußten.
25. September. (Deutsches Reich.) Hartnäckige und ziem-
lich gereizte Polemik zwischen der „Germania“ und der „Nordd. Allg.
Ztg.“ über die Sozialpolitik des Zentrums und die des Fürsten
Bismarck.
Beide Blätter beschuldigen sich gegenseitig der Unwahrheit und Ent-
stellung, und in der Sache kommt das Raisonnement beider darauf hinaus,
daß die Sozialpolilik des anderen unklar und unaufrichtig sei, daß er nicht
volle Farbe zu bekennen wage. Die Ultramontanen stellen dabei die „korpo-
rativen Organisationen“ nach der Forderung des Düsseldorfer Katholikentages
als Grundlage aller Sozialpolitik, wie sie sie verstehen, als erste Forderung
hin, worauf das offiziöse Blatt erwiedert, daß auch der Reich-lansler an
dieser Grundlage des Programms der kaiserlichen Botschaft festhalte. Die
Germania meint jedoch, sie würde das Bekenntnis des Reichskanzlers zur ge-
nossenschaftlichen Organisation mit noch größerer Freude begrüßen, wenn
statt „festhalten“ der korrektere Ausdruck „Zurückkehren“ gebraucht würde:
die bureaukratische Zentralisation im ersten Unfallversicherungsentwurfe und
die mechanischen Gefahrenklassen des zweiten seien doch wahrlich kein „Fest-
halten“ an dem Programm der Botschaft gewesen. Bei der Zweidenkigkeit
oder Vieldeutigkeit des Ausdrucks , genossenschaftliche“ oder „korporative Orga-
nisation“ kann die Polemik zu keinem Resultate führen, da beide Teile sich
wohl hüten, klar und deutlich zu sagen, was sie darunter verstehen, vielleicht
es vorerst selbst nicht so genau wissen.
26. September. (Preußen.) Die „Germania“ ist neuerdings
in der Lage mitzuteilen, daß der Papst, um den Diözesen der exi-
lierten Bischöfe die Wohlthaten der Dispensation für die Seelsorge
zu verschaffen, ohne ein Präjudiz betreffs dieser Bischöfe zu statuieren,
angeordnet habe, daß die Dispensationsanträge nicht von den ein-
zelnen Bischöfen ausgehen, sondern von dem Bischofe von Kulm
als Senior des preußischen Episkopats für alle Diözesen an den
Kultusminister gerichtet werden.
27. September. (Deutsches Reich.) Der Reichskanzler trifft
von Gastein wieder in Berlin ein, geht aber schon am folgenden
Tage weiter nach Friedrichsruhe, wo er bis Neujahr oder noch
länger bleiben will. Mit dem Erfolg seiner Kuren in Kissingen
und Gastein soll er sehr zufrieden fein.