Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1883. (24)

Die Oeflerreichisch-ngorische Monarchie. (Jan. 20—23.) 179 
Sprache verfassungsmäßig als Staatssprache anguerkennen und fragt 
nach dem Schicksal dieses Antrags. Der polnische Obmann des 
Ausschusses, v. Grocholski, hatte jedoch diesen Ausschuß seither nie 
auch nur zusammenberufen. Jetzt geschieht es und der Ausschuß 
beschließt auf den Antrag Niegers mit 12 gegen 7 Stimmen, auf 
Ablehnung des Antrags anzutragen. 
Die 4 Steuervorlagen des Finanzministers werden nach einer 
für diesen sehr wenig günstigen Debatie an einen Ausschuß ver- 
wiesen, wo sie vorerst und bis zu Ende des Jahres liegen bleiben, 
indem er sich mit der Vorberatung nichts weniger als beeilt. 
20. Jannar. (Oesterreich: Schlesien.) Polen und Czechen 
verständigen sich, gemeinsam auf die Slavisierung Schlesiens hin- 
zuwirken. 
Mis jetzt war Schlesien ein überwiegend deutscher Land troh der teil- 
weise polnischen, teilweise czechischen Bevölkerung. Kapital, Steuerleitung, 
Intelligenz, geistiges und materielles Vermögen wird durch das Deutschtum 
repräsentiert, das dem Slaventume überall Gelegenheit -zur! Arbeit, zum Geld- 
erwerb, zu besserer materieller Erxistenz verschaffte. Diese Leinenindustrie um 
Freudenthal, diese Tuchwebereien von Bielitz, diese Baumwollindustrie in und 
um Friedeck, das ist deutsche Arbeit und Frucht des deutschen Fleißes. So 
wird es denn hier zu einer Kulturfrage, ob Oesterreichisch-Schlesien deutsch 
bleiben soll oder nicht. Wo das Voll, das zum Dotum berufene, gesprochen 
hat, sprach es sich stets für das Dentschtum und seine ungeschwächte Erhal- 
lung aus. Deutsch ist der Landtag zu Troppau fast völlig, drutsch sind die 
Ratskammern der Städte, denisch die Handels= und Gewerbekammer, deutsch 
sind die Abgeordneten für den Reichsrat aus Schlesien. Deutsch ist alles, 
was in Wissenschaft und Kunst im Lande sich bethätigt. Das soll jetzt alles 
anders werden. Von Galizien und Böhmen aus wurde agitiert und gahl- 
reiche Petitionen verlangen nnnmehr nach bewährtem czechischen Muster auch 
für Schlesien „Gleichberechtigung“ in Schule, Gericht und Verwaltung. Es 
ist ein öffentliches Geheimnis, daß der Friede in Schlesien bisher nur dem 
Umstande Zu danken war, daß sich Cgechen und Polen über die Kriegführung 
wie über die Teilung der zu erhoffenden Vente nicht zu einigen vermochten. 
Diese Einigung scheint nunmehr erjolgt zu sein: im Troppauer Kreise ge- 
höre dar Feld den Czechen, im Teschener den Polen. Das Wasserpolakische 
soll an die Stelle des Deutschen im Teschener, das CFechische an seine Stelle 
im Troppauer Kreise treten. 
20.—a21. Januar. (Ungarn.) Reichstag: lebhafte Debatten 
über eine Reihe ultramontaner Forderungen in Petitionen des nie- 
dern katholischen Klerus und einen Antrag Istoczys auf Revision 
der Emanzipation der Inden. Tisga spricht sich gegen beide Ten- 
denzen sehr energisch aus. 
23.—26. Januar. (Oesterreich.) Reichsrat: die deutsche 
Linke bringt ihre sozialpolitischen Anträge (s. 1882, 5. Dez.) ein. 
Chlumesky begründet dieselben mit Wärme. Die Rechte tritt ihnen 
12“
	        
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