Hie Oesterreichisch-Angarische Monarhir. (März 9.) 101
sich die gesetzliche Festhaltung der dautschen Sprache als Staatesprache als
mit dem Wortlaut und Sinne des Art. 19 des Staatsgrundgesetzer unver-
einbar dar. „Deun Amt, Schule und öffentliches Leben bilden gerade das-
jenige öffentlich-rechtliche Gebiet, auf welchem die Staatssprache überhaupt
zur Anwendung gelangen kann. Sollte nun angenommen werden, daß dem
Art. 19 die Absicht zu Grunde liegt, das Recht der Aus schließlichkeit einer
der gleichberechtigten Sprachen auf diesem Gebiete in irgend einem Umfange
anzuerkennen, io müßte dieses Recht, welches das Ju proklamierende Prinziy
der Gleichheit in seinem Kern und Wesen einschränlt, als eine positive Ans-
nahme von dem Prinzipe naturgemäß und notwendigerweise auedrücklich in
dem Gesetze selbst festgestellt sein, weil Ausnahmen und Privilegien nicht von
selbst vermntet werden können.“ Der Bericht wirft dann die Kompetenzirage
auf, in welchem Maße die Ausführung des fraglichen Art. 19 in den Wirk-
ungskreis der Landtagsgesehgebung gehört und inwiefern derselbe dem Hoheite-
rechte der Krone anheimfällt. Daß die von dem Antrage Wurmbrand an-
gerufene Zuständigkeit des Reichsratee zur Ausführung des Art. 19 des
mehrberufenen Staategrundgesehes in der bestehenden Verfassung nicht be-
gründet sei, unterliege keinem Zweifel. Schließlich lengnet der Vericht, daß
gegenwärtig ein praktisches Bedürfnis zur Regelung der Sprachenfrage vor-
liege. Von einer Gefährdung oder auch nur Schmälerung der deutschen
Sprache in Oesterreich 4mne keine Rede sein. Und der sogenannte Kampf
der Nationalitäten in Oesterreich dürfse im wwohrwverstandenen Interesse des
Staates nicht niedergehalten werden. „Aus der staatsrechtlichen Vereinigung
der Länder, in welchen verschiedene Vollo estämme verteilt sind, ergibt sich eine
natürliche Interessengemeinschaft, welche eine einzige Sprache als allen Bölkern
gemeinsames Berständigungemittel zu einer stetigen, über momentane poli-
tische Fluktuationen erhabenen Staatsnotwendigkeit macht. Als die einheit-
liche Sprache in diesem Sinne ist die deutsche Sprache, ohne daß sie je der
legislativen Stütze bedurft hätte, von allen Volksstämmen stets und freiwillig
auerkannt worden. In der dem österreichischen Staatswesen innewohnenden
Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit aller Volksstämme einerseits und in
dem geistigen Werte der deutschen Sprache andrerseits ruht die innere Kraft,
welche der deutschen Sprache die ihr gebührende Stellung auf dem Gebiete
der gemeinsamen Interessen dauernd sichert. Die hervorgehobenen Momente,
sowie die langjährige übung und Gewöhnung bieten aber eine weit höhere
Gewähr als ein Gesetz, welches durch seinen Zwang das Nationalgefühl
nichtdentscher Volksstämme leicht verleben, die Grenzen des der dentschen
Sprache zu überweisenden Gebietes gegen das natürliche Bedürfnis verrücken
könnte, ohne doch die Möglichkeit oder sogar die Gefahr eines durch politische
Strömungen vielleicht gegen das allgemeine Staateinteresse hervorgurnfenden
Wechsels auszuschließen.“ Aus diesen Gründen beantragt die autonomistische
Mehrheit, über den Antrag Wurmbrand zur Tagesordunng überzugehen.
Der Bericht der dentschen Minorität, der sehr ausführlich gehalten
ist, erklärt, daß die Regierung zur Erlassung von Sprachenverordnungen, so-
weit dieselben nicht bloß die innere Dienst= und Amtssprache betreffen. nicht
berechtigt sei. Wie es feststehe, daß die sprachliche Gleichberechtigung im
Sinne des Art. 19 nur im Wege des Gesetzes geregelt werden könne, so er-
scheint es der Minorität auch zansechtbar daß eine solche Regelung nur
unter Festhaltung der deutschen Sprache als Staatssprache geschehen könne
und dinis Es unterliege keinem Zweifel, daß durch die Bestimmungen des
Art. 19 die Bedentung und Geltung der deutschen Staatssprache gar nicht
berührt, fondern nur der Gebrauch der landesüblichen und Landessprachen
innerhalb der Länder nach dem Prinzip der Gleichberechtigung in Aussicht
genommen, somit die deutsche Sprache auch nur in ihrer zweiten Eigenschaft